Transport eines sensiblen Wärmespeichers © MHB Betriebsführungs GmbH, Hamm
Transport eines sensiblen Wärmespeichers

Wärmespeichertechnologien für die Wärmewende
„Thermische Speicher schaffen Flexibilität und Nachhaltigkeit“

Dr. Stefanie Tafelmeier Mission Wärmewende 2045

26.05.2025 | Aktualisiert am: 26.05.2025

Damit Wärme flexibel verfügbar ist, setzen Forschung und Praxis auf unterschiedliche Wärmespeichertechnologien. Worauf es dabei ankommt, erklärt Wärmespeicher-Expertin Dr. Stefanie Tafelmeier vom Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung (ZAE Bayern) im Interview.

Warum sind thermische Speicher wichtig für unsere Energieversorgung?

Tafelmeier: Das Ziel ist es, die Energieversorgung in Zukunft nachhaltig, also mit stark reduzierten Treibhausgasemissionen, umzusetzen. Um dies zu ermöglichen, wird einerseits daran gearbeitet Prozesse, Geräte und Anlagen energieeffizienter zu gestalten und andererseits erneuerbare Energien vermehrt zu integrieren. Thermische Energiespeicher bieten für beide Ansätze Lösungen.

Wie sehen diese Lösungen aus?

Durch die Integration von thermischen Speichern für die flexible Nutzbarmachung von beispielsweise Abwärme in Anlagen, kann eine Effizienzsteigerung erreicht werden. Die zeitliche Diskrepanz von Bedarf und Versorgung auf Grund der schwankenden Verfügbarkeit der erneuerbaren Energieversorgung, kann mit Energiespeichern überwunden werden. Oft denkt man dabei an elektrochemische Energiespeicher wie Batterien. Diese bieten wunderbare Lösungen für die spätere Verfügbarkeit von Strom. Für einige thermische Anwendung kann es jedoch nachhaltiger und wirtschaftlicher sein, direkt mit Hilfe einer Power2Heat Lösung Wärme zu speichern. Darüber hinaus können thermische Speicher Spitzenlasten von Anwendungen abfedern. Dies ermöglicht im Vorhinein eine ressourcensparende Auslegung von Anlagen. Kurz gesagt: Thermische Energiespeicher schaffen Flexibilität und Flexibilität ermöglicht Nachhaltigkeit.

Bitte nennen Sie ein paar Beispiele für den Einsatz von thermischen Speichern!

Das bekannteste Beispiel ist der Warmwasserspeicher für die Gebäudeversorgung, der meist nur wenige hundert Liter Volumen fasst. Daneben gibt es Wasserspeichersysteme, deren Volumen mehrere tausend Kubikmeter beträgt und die ganze Quartiere mitversorgen. Auch so genannte Eisspeicher können in die Wärmeversorgung von Quartieren eingebunden werden. Als Latentwärmespeicher nutzen sie unter anderem die gespeicherte Energie beim Übergang von Wasser zu Eis und umgekehrt. Für industrielle Prozesse kann zum Beispiel die sorptive Energiespeicherung interessant sein - etwa für Trocknungsvorgänge, bei denen warme, trockene Luft benötigt wird.

Welche Arten von thermischer Speicherung gibt es?

Thermische Speicher werden in drei Technologien unterschieden, welche die physikalische Natur des Speicherprozesses beschreiben: sensible, latente und thermochemische Energiespeicher. Jede dieser Speichertechnologien hat andere Eigenschaften, welche sie für bestimmte Anwendungen besser oder schlechter geeignet machen. Oft wird der Begriff „Wärmespeicher“ synonym genutzt – dabei können thermische Speicher natürlich auch Kälte speichern.

Für eine sensible Energiespeichertechnologie sind Warmwasserspeicher für die Gebäudeversorgung ein gutes Beispiel. Auch Hochtemperaturspeicher, welche vor allem für industrielle Prozesse an Bedeutung gewinnen, zählen dazu. Bei sensiblen Energiespeichertechnologien wird thermische Energie über die Wärmespeicherkapazität eines Speichermaterials (z.B. Wasser oder Beton) gespeichert – ohne dass sich der Aggregatzustand des Materials ändert.

Latentwärmespeicher beruhen auf dem Prinzip des Phasenwechsels eines Materials, etwa von fest auf flüssig und der damit gespeicherten Energie (latente Wärme). Während des Phasenübergangs liefert der Speicher ein nahezu gleichbleibendes Temperaturniveau. Unterschiedliche Materialien ermöglichen – abhängig vom Schmelzpunkt – unterschiedliche Temperaturniveaus. Diese können sowohl für den Wärme- als auch für den Kältebedarf genutzt werden. So sind auch Temperaturniveaus weit unter null Grad Celsius möglich.

Thermochemische Energiespeicher basieren auf thermochemischer oder sorptiver Energiespeicherung. Hierbei wird nicht nur Energie gespeichert, sondern es findet auch ein stofflicher Übergang in Form von einer Reaktion oder einem sorptiven Prozess statt. So wird etwa bei der sorptiven Energiespeicherung Wasserdampf im Speichermaterial aufgenommen und wieder abgegeben. Dies macht man sich zu Nutze für Trocknungsvorgänge, in denen warme, trockene Luft benötigt wird.

Welche technologischen Fortschritte gibt es derzeit in der Forschung zu thermischen Speichern?

Industrielle Prozesse und deren thermische Bedürfnisse rücken immer mehr in den Vordergrund. Somit wird es immer wichtiger, die unterschiedlichen Temperaturbereiche, Leistungen und Kapazitäten industrieller Prozesse abdecken zu können. Die Anforderungen an Speichermaterialien und -komponenten sowie Speicherauslegung und Systemintegration stehen dabei im Fokus. Dies gilt übrigens auch für die Speicherung von Abwärme, welche bei Prozessen anfallen kann. Die Verwendung von passenden Speichern erlaubt auch hier eine gesteigerte Flexibilität der Abwärmenutzung.

Für die flexible Wärmeversorgung von Gebäuden und Quartieren wurden in den letzten Jahren zunehmend sensible Großspeicher erprobt und umgesetzt. Auch Latentwärmespeicher für den Hausgebrauch sind vermehrt als kommerzielle Produkte etabliert.

Die Forschung an thermischen Speichertechnologien ist wichtig, um die Energieversorgung flexibel zu halten - aber auch um die Effizienz von industriellen Prozessen, Anlagen und Geräten zu steigern. Auf diese Weise muss dann weniger Energie für den Wärme- und Kältebedarf bereitgestellt werden.

Welche Hürden gibt es für den vermehrten Einsatz von solchen Speichern?

Ein Wechsel hin zu einer neuen Technologie bzw. eine Umrüstung eines bestehenden Systems verlangt oft nach einer nicht zu vernachlässigenden Investition. Diese Investition ist bei neuen Technologien immer mit einer gewissen Unsicherheit verknüpft, da nur wenig Erfahrungswerte bekannt sind. Das teilen meiner Meinung nach alle neuen Technologien.

Wie kann man diese Hürden überwinden?

Es ist wichtig, Demonstrationsprojekte umzusetzen, um die Machbarkeit neuer Konzepte mit innovativen thermischen Speichertechnologien zu zeigen. Hierbei können die Speicherlösungen bei Bedarf auch optimiert werden. Anwendende aus Industrie, Gewerbe oder Kommunen müssen unterstützt werden, wenn sie Demonstrationsprojekte zusammen mit Forschungsinstituten oder Universitäten umsetzen. Das daraus gebildete Wissen braucht im Anschluss eine Plattform, um transparent mit weiteren potenziellen Anwendenden geteilt zu werden.

Das Interview führte Birgit Schneider, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH.

Veranstaltungstipp

Am 28. Mai trägt Dr. Stefanie Tafelmeier auf der Session "HOT STUFF - Innovative Speicherlösungen für die Quartiersversorgung" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie auf den Berliner Energietagen vor. Die Veranstaltung findet von 9 bis 10:30 Uhr statt. "Innovative Speicherlösungen als Gamechanger - Versuch eines Überblicks" lautet der Titel des Vortrags von Dr. Tafelmeier im Rahmen der Session.