Reallabor der Energiewende „GeoSpeicher Berlin“
Unterirdischer Speicher sorgt für klimafreundliche Wärme
Der Süd-Osten Berlins soll zukünftig vermehrt mit Fernwärme aus erneuerbarer Energie versorgt werden. Möglich macht dies ein 400 Meter tiefer Aquiferspeicher, der mit einem innovativen Wärmepumpensystem kombiniert wird. Das entsprechende Reallabor der Energiewende „GeoSpeicher Berlin“ startet jetzt.
Momentan versorgt ein Fernwärmenetz die Wohn- und Gewerbequartiere im Berliner Südosten mit Wärme. Diese stammt zu rund 60 Prozent aus erneuerbarer Energie und wird vom Holzheizkraftwerk Berlin-Neukölln geliefert, welches im Winter unter Volllast läuft. Gas- und Kohleheizkraftwerke sorgen für die restliche, benötigte Wärme. In den Anlagen kommen fossile Brennstoffe zum Einsatz, deren Anteil jetzt reduziert werden soll.
„Bereits heute könnte mit dem im Sommer durchgehenden Betrieb des Holzheizkraftwerks eine erhebliche, zusätzliche Menge an Wärme für den Winter bereitgestellt werden. Allerdings fehlen dazu bisher die Speichermöglichkeiten“, so Johannes Hinrichsen von der Berliner Blockheizkraftwerks- Träger- und Betreibergesellschaft (BTB). Er leitet das jetzt gestartete, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Reallabor der Energiewende GeoSpeicher Berlin. Die BTB führt das Projekt gemeinsam mit wissenschaftlichen Partnern vom Geoforschungszentrum Potsdam und der Technischen Universität Dresden durch.
Erneuerbare Wärme ersetzt Kohleenergie
In dem Vorhaben errichten die Projektpartner am Standort des Heizkraftwerks Berlin-Adlershof im Verbund mit dem Holzheizkraftwerk Berlin-Neukölln einen so genannten Aquiferspeicher. Ein Aquifer ist eine Sandschicht, deren poröse Struktur zu über 20 Prozent mit Wasser gefüllt ist. „Ein Viertel der Wärme, die momentan noch aus dem Steinkohleheizkraftwerk Berlin-Schöneweide stammt, kann mit dem Aquiferwärmespeicher im Winter eingespart und durch erneuerbare Energie aus dem Sommer ersetzt werden. Dadurch werden rund 10.000 Tonnen CO2 pro Jahr vermieden und zusammen mit anderen Projekten kann der Kohleeinsatz beendet werden“, so Hinrichsen. Bei Erfolg wird die Anlage mit einer Speicherkapazität von über 30 Gigawattstunden Deutschlands größter Wärmespeicher.
Wärme aus dem Sommer für den Winter speichern
Für den Wärmespeicher in Berlin werden zwei, mehrere hundert Meter voneinander entfernte Bohrungen benötigt. Über die erste Bohrung kann Aquiferwasser entnommen und im Sommer erhitzt werden. Mit der zweiten Bohrung wird dieses zur Wärmespeicherung wieder in den Untergrund gepumpt.
Im Winter wird das heiße Aquiferwasser in entgegengesetzter Richtung wieder hochgepumpt. Die Wärme kann dann direkt über einen Wärmetauscher als auch indirekt mit einem Wärmepumpensystem im Fernwärmenetz genutzt werden. Das auf Gesteinstemperatur abgekühlte Wasser wird über die erste Bohrung wieder der Aquiferschicht zugeführt.
Großwärmepumpen sorgen für hohe Speicherkapazität
Üblicherweise werden Aquiferspeicher mit niedrigen Temperaturen von unter 40 Grad Celsius betrieben.
In dem Reallabor der Energiewende wollen die Fachleute im 400 Meter tiefen Aquifer zum ersten Mal Wasser auf Hochtemperaturniveau bis zu 95 Grad Celsius speichern. Das gespeicherte, heiße Aquiferwasser soll zur Wärmeversorgung genutzt und so im Winter auf bis zu 20 Grad Celsius abgekühlt werden. Möglich macht dies eine Großwärmepumpe. Diese nutzt die gespeicherte Wärme als Wärmequelle und hebt die Temperaturen auf ein für das Fernwärmenetz geeignetes Temperaturniveau an. Dadurch wird der Speicher vollständig entladen.
Somit treten bei der kalten Bohrung keine Wärmeverluste auf. Die oft über 25 Prozent Betriebswärmeverluste will das Team durch diesen Prozess auf unter zehn Prozent reduzieren.
Kälteanlagen als Wärmelieferanten
Neben der Wärme aus dem Holzheizkraftwerk beziehen die Expertinnen und Experten auch Niedertemperaturwärme aus bestehenden Kälteanlagen in die saisonale Speicherung mit ein. Die Kälteanlagen werden zur Raumklimatisierung in Unternehmen in der Nähe eingesetzt. Die unvermeidbare Abwärme der Kühlsysteme mit Temperaturen von weniger als 40° Celsius fällt bei der Kälteerzeugung im Sommer an. Die Wärme kann bei der Speicherbeladung als Vorwärmung dienen. Die Vorteile: Diese Energie muss nicht zusätzlich erzeugt werden, der Betrieb der Kälteanlagen wird effizienter. Dadurch kann elektrische Energie bei der Kälteerzeugung eingespart werden.
Umsetzung auch in anderen Quartieren möglich
Die Projektpartner errichten den saisonalen Hochtemperatur-Aquiferspeicher unter typischen geologischen Bedingungen Norddeutschlands. Von den hier gesammelten geothermischen Erkenntnissen können Stadtwerke, Fernwärmenetzbetreiber und Energieversorger in anderen Quartieren Norddeutschlands profitieren. Die anlagentechnischen Erkenntnisse zu Großwärmepumpen-Systemen können auf ganz Deutschland übertragen werden. Das Demonstrationsvorhaben schafft die Wissensbasis hierfür.
Reallabore der Energiewende bringen Innovationen in die Praxis
In den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Reallaboren der Energiewende testen Expertenteams innovative Technologien in der Praxis und unter realen Bedingungen im industriellen Maßstab. Die in den Projekten gesammelten Erfahrungen können Fachleute anschließend nutzen, um den tiefgreifenden Umbau des Energiesystems in Deutschland entscheidend Richtung Klimaneutralität voranzubringen. (bs)