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Netzbildende Wechselrichter helfen dabei, das Stromnetz auch ohne fossile Kraftwerke stabil zu halten, in dem sie sich wie eine Spannungsquelle verhalten und auf kurzfristige Bedarfe im Netz, wie Spannungsänderungen, reagieren können. © by-studio – stock.adobe.com
Netzbildende Wechselrichter helfen dabei, das Stromnetz auch ohne fossile Kraftwerke stabil zu halten, in dem sie sich wie eine Spannungsquelle verhalten und auf kurzfristige Bedarfe im Netz, wie Spannungsänderungen, reagieren können.

Netzfrequenz
Netzbildende Wechselrichter als Schlüsseltechnologie für ein stabiles Stromnetz der Zukunft

24.06.2025 | Aktualisiert am: 24.06.2025

Rund 59 Prozent der Stromerzeugung in Deutschland stammte 2024 aus erneuerbaren Energieträgern – Tendenz steigend. Dieser Fortschritt bringt jedoch neue Herausforderungen mit sich: Bislang hielten konventionelle Kraftwerke das Netz stabil. Künftig müssen sie durch neue Technologien ersetzt werden – eine zentrale Rolle spielen dabei netzbildende Wechselrichter.

Konventionelle Kohle-, Gas- und Ölkraftwerke produzieren Wechselstrom, der direkt ins Stromnetz eingespeist wird. Sogenannte Synchrongeneratoren in den Kraftwerken sorgen durch ihre Massenträgheit dafür, dass Spannung und Frequenz stabil bleiben. Aus erneuerbaren Energien erzeugter Gleichstrom hingegen muss zunächst über sogenannte Stromrichter in Wechselstrom umgewandelt werden. Die durch die Energiewende steigende Einspeisung über leistungselektronische Stromrichter verändert die Charakteristik des Stromnetzes grundlegend. Denn in aktueller Ausführung sind Photovoltaik-, Windkraft- und Speicheranlagen netzfolgend und können entscheidende netzstabilisierende Funktionen nicht liefern. Dadurch steigt der Regelaufwand für das Netz.

Netzbildende Wechselrichter können diese Defizite ausgleichen: Neben der Umwandlung von Gleich- in Wechselstrom, können sie sich wie eine Spannungsquelle verhalten, somit das Stromnetz bilden und für Spannungs- und Frequenzstabilität sorgen. Zudem können sie – in Verbindung mit einer stets verfügbaren Energiequelle – Momentanreserve bereitstellen, um plötzliche Änderungen der Netzfrequenz auszugleichen. Auch haben sie Schwarzstartfähigkeit und können das Netz nach einem Ausfall wieder hochfahren. Möglich ist das dank intelligenter Regelungsalgorithmen, zum Beispiel in Form von virtuellen Synchronmaschinen.

Für einen sicheren Netzbetrieb unabhängig von konventionellen Kraftwerken sind netzbildende Wechselrichter in Zukunft also unerlässlich. Doch der Etablierung steht ein Henne-Ei-Problem im Weg: Hersteller entwickeln nur, wenn es Nachfrage gibt – Netzbetreiber definieren Anforderungen aber erst, wenn die Technologie existiert. Ohne klare regulatorische Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Anreize bleibt der Markt träge. Dadurch fehlen bislang Erfahrungen mit dem flächendeckenden Einsatz.

Roadmap Systemstabilität des BMWE definiert netzbildende Wechselrichter als Schlüsseltechnologie

Deshalb identifiziert die Roadmap Systemstabilität des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) netzbildende Stromrichter als Schlüsseltechnologie. Die Roadmap dient als strategischer Fahrplan auf dem Weg in ein stabiles, zukunftsfähiges Stromversorgungssystem aus 100 Prozent erneuerbaren Energien.

Im Pfad „Etablierung netzbildender Stromrichter“ sind in der Roadmap Meilensteine und Prozesse definiert, um die Technologie sowohl technisch als auch regulatorisch zur Marktreife zu bringen und die Systemintegration zu unterstützen. Zu klären sind Fragen wie: Welche technischen Anforderungen sollten gelten? Wie wird die Interoperabilität zwischen verschiedenen Herstellern gewährleistet? Welche Test- und Prüfverfahren sind notwendig? Wie lassen sich Wirtschaftlichkeit und Marktintegration sicherstellen? Welche Anlagen sollen zukünftig ab wann netzbildende Eigenschaften aufweisen müssen?

Ein wichtiger Meilenstein, der die Technologieentwicklung ankurbelt: Mit Festlegung der Bundesnetzagentur von April 2025 haben Netzbetreiber bis Anfang kommenden Jahres Zeit, erste marktgestützte Beschaffungen für Momentanreserve zu starten. Es sind Festpreise vorgesehen, sprich jede Anlage, die die Anforderungen einhält, wird vergütet. So wird nicht nur die marktgestützte Beschaffung angekurbelt, sondern auch die Technologieentwicklung beschleunigt. Technische Grundlage für die marktgestützte Beschaffung von Momentanreserve ist dabei der im Mai 2025 veröffentlichte Hinweis „Netzbildende Eigenschaften“ des Forums Netztechnik/Netzbetrieb des VDE, der technische Anforderungen und Nachweise formuliert.

Deutschland muss auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig bleiben

Länder wie das Vereinigte Königreich, Australien und die USA treiben bereits groß angelegte Projekte mit netzbildenden Wechselrichtern voran. Dabei kommen sowohl europäische als auch außereuropäische Lösungen, insbesondere aus China und den USA, zum Einsatz. Um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein, muss sich Deutschland im Technologiewettbewerb behaupten und in den Erfahrungsaustausch mit anderen europäischen Ländern treten. Gemeinsame europäische Lösungen stärken zudem die Cybersicherheit durch technologische Unabhängigkeit und tragen zur Versorgungssicherheit bei.

Viele der noch offenen Fragen lassen sich nur unter Realbedingungen klären: Wie verhalten sich Wechselrichter im Ernstfall? Welche Standards sind erforderlich? Wie werden Modelle validiert? Wie passt das ins bestehende System? Pilotprojekte liefern Antworten – stoßen aber auf praktische Hürden: etwa die Zurückhaltung von Herstellern bei der Offenlegung von Gerätemodellen oder Haftungsfragen beim Test im echten Netz.

BMWE fördert Forschung und Pilotprojekte im Rahmen der Mission Stromwende 2045

Im Rahmen der Mission Stromwende 2045 des 8. Energieforschungsprogramms des Bundeswirtschaftsministeriums werden deshalb bereits zahlreiche Projekte gefördert, um Forschung, Entwicklung und Demonstration zu unterstützen. Etwa das Projekt StABIL, in dem Forschende einen Photovoltaik-Wechselrichter so modifizieren, dass dieser netzbildend arbeiten kann. Belastungstests helfen zu evaluieren, wie eine optimale und kosteneffiziente Dimensionierung aussehen könnte.

Das Projekt VN_2030plus beschäftigt sich gemeinsam mit Netzbetreibern damit, wie ein stromrichter-dominiertes Verteilnetz sicher und stabil betrieben werden kann. Hemmnisse des flächendeckenden Einsatzes sollen identifiziert und Lösungen entwickelt werden.

Das Projekt OptiTransient untersucht mittels Simulations- und Messverfahren das Verhalten von stromrichterbasierten Betriebsmitteln in der transienten Phase – also unmittelbar nach dem Auftreten eines Fehlers – zum Beispiel im Hinblick auf Überspannungen und Winkelsprünge. Ziel ist es, ein geeignetes netzbildendes Regelungsverfahren auszuwählen und die Anforderungen daran zu optimieren und validieren.

Das Forschungsvorhaben SysStab2030 will die Einführung der erforderlichen Systemdienstleistungen durch Erzeugungsanlagen und Verbraucher zur Erhaltung der Systemstabilität beschleunigen und bereits während der Projektlaufzeit einen Branchenkonsens anstreben. Dazu werden zunächst die Bedarfe und Herausforderungen des Stromnetzes 2030 identifiziert und technische Potenziale und Hindernisse der Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen analysiert.

GFI-Pilot verfolgt das Ziel, dezentrale, mit netzbildenden Stromrichtern ausgerüstete Batteriespeichersysteme im Verteilnetz zu testen. Die Erprobung erfolgt in allen Spannungsebenen des Verteilungsnetzes und berücksichtigt sowohl Normal- und Inselbetrieb als auch den Netzwiederaufbau.

Eine ausführliche Darstellung weiterer Projekte finden Sie in den blauen Boxen.

Forschungsprojekt BesGASa

Installation des Generators an einer Windenergieanlage Modell E-175 EP5 © ENERCON
Installation des Generators an einer Windenergieanlage Modell E-175 EP5 .

Der künftig immer stärker notwendige Einsatz netzbildender Umrichter erfordert umfassende und tiefgreifende Anpassungen und Neuentwicklungen auf der Anlagenseite. Das Projekt BesGASa entwickelt zu diesem Zweck Windenergieanlagen (WEA) mit netzbildenden Eigenschaften. Kern des Vorhabens ist die Erweiterung der WEA- und Parksteuerungen, um eine erweiterte aktive Beteiligung an der Netzstabilität zu gewährleisten. In Zukunft wird diese Verpflichtung zur Beteiligung an der Netzstabilität Teil des sogenannten Grid Codes – also der von Netzbetreibern festgelegten Regulatorik. „Das ist das übergeordnete Ziel, das wir erfüllen: Dass wir als WEA-Hersteller dazu verpflichtet sein werden, uns an der Netzstabilität zu beteiligen, ist schon lange bekannt. Das geschieht jedoch nicht nebenbei als einfache Technologieentwicklung, sondern hat auch einen hohen Innovationscharakter. Ein Grund, weshalb wir das Projekt gemeinsam mit dem DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme und dem Fachgebiet Nachhaltige elektrische Energiesysteme der Universität Kassel gestartet haben“, erklärt Timo Kühn vom Windenergieanlagen-Hersteller ENERCON.

Viele Herausforderungen gilt es dabei zu bewältigen: Das ganze Steuerkonzept der WEA muss auf den Kopf gestellt werden, um von Stromquellenverhalten auf Spannungsquellenverhalten umzustellen. Und hinzukommt: „Das alles muss für ein Stromnetz entwickelt werden, das wir jetzt noch nicht kennen“, sagt Timo Kühn. Gemeinsam mit den wissenschaftlichen Partnern werden dafür Modelle entwickelt und Simulationen durchgeführt. Die Projektpartner von BesGASa wollen so während der Entwicklungsphase neue Erkenntnisse gewinnen, veröffentlichen, und so auch die Standardisierung und Weiterentwicklung der Grid Codes unterstützen.

Ein eng mit Meilensteinen der Roadmap Systemstabilität verknüpftes Sprinterziel der Mission ist darauf gerichtet, innerhalb von fünf Jahren bis 2028 den stabilen Betrieb stromrichterdominierter Teilnetze zu demonstrieren. Auch Cybersicherheit und Resilienz sollen Berücksichtigung finden. Die gewonnenen Erkenntnisse können direkt in Prozesse von Normung und Regulierung, aber auch in neue Projekte fließen – es entsteht ein kontinuierlicher Innovationskreislauf im Geiste eines lernenden Forschungsprogramms.

Forschungsprojekt „Fuchstal leuchtet“

Übersicht über die Betriebsmittel während der Feldversuche im Projekt Fuchstal leuchtet © Collage selbst erstellt von Hochschule Augsburg und Hochschule München
Übersicht über die Betriebsmittel während der Feldversuche im Projekt Fuchstal leuchtet.

Das Forschungsprojekt „Fuchstal leuchtet“ untersucht, wie ein stabiler Betrieb in einem Stromnetz ohne zentrale Regelungsstruktur möglich ist, das ausschließlich von Stromrichtern gespeist und belastet wird. Dabei solle Kenntnisse zu verschiedenen regulatorischen und technischen Aspekten gewonnen werden wie zu veränderten Anforderungen an Schutzkonzepte, der Evaluierung technischer Anschlussregeln oder dem Zusammenspiel und möglichen Wechselwirkungen zwischen netzbildenden und netzfolgenden Stromrichteranlagen. „Um diese Aspekte zu untersuchen, werden systematisch aufeinander aufbauende Feldversuche im Reallabor der Energiezukunft Fuchstal mit praxisnahen Simulationsmodellen verbunden“, schildert Projektleiter Prof. Dr. Georg Kerber von der Hochschule München.

Im Rahmen des ersten Feldversuchs im Herbst 2024 wurde erfolgreich der Inselnetzbetrieb mit netzbildenden Batterie-Wechselrichtern getestet. Neben den beiden netzbildenden Wechselrichtern (2x2,5 MW) befanden sich verschiedene reaktive Verbraucher im Inselnetz, darunter eine Power-2-Heat-Anlage, eine induktive Lastbank sowie eine kapazitive Kabelstrecke. Mit den nächsten 2 Feldversuchen (2025/26) wird eine Betriebsstrategie entwickelt und getestet, um im Falle eines Netzausfalls den Aufbau eines Inselnetzes mit vier Windkraftanlagen (4x3 MW) und der ganzen Gemeinde Fuchstal zu ermöglichen.

Netzbildende Wechselrichter sind unverzichtbar für ein stabiles auf erneuerbaren Energien basierendes Stromnetz. Ihre Entwicklung, Erprobung und Einführung müssen zügig vorankommen. Nur so bleibt die Stromversorgung sicher, resilient und zukunftsfähig – und Deutschland in diesem Bereich technologisch vorn. (uj)

Forschungsprojekt SUREVIVE

Das Forschungsprojekt SUREVIVE führt einen Feldtest mit netzbildenden Batterie-Wechselrichtern im Mittelspannungsverteilnetz durch. Denn während Netzkunden ab 2026 netzbildende Wechselrichter auch im Verteilnetz anschließen wollen, um am Momentanreservemarkt teilzunehmen, haben Verteilnetzbetreiber bislang keine Anschluss- und Betriebserfahrung. „Daher sind mögliche Probleme bisher unklar. Unser Hauptziel ist es daher, die Branche zu befähigen, netzbildende Wechselrichter im Verteilnetz erfolgreich, effizient und wirtschaftlich anzuschließen und mögliche Risiken von vorneherein zu vermeiden“, erklärt Dr. Oliver Schillinger, Projektleiter von SUREVIVE bei der Westnetz GmbH. Erste Erkenntnisse aus Simulationsstudien seit Projektbeginn konnten bereits als neue Anforderungen und Nachweise in die technischen Richtlinien einfließen und haben zur Weiterentwicklung von Prozessen und Technik für den Netzanschluss beigetragen.