Digital beteiligt: So fließen Mieterwünsche in Planung ein

Sanierung von Mehrfamilienhäusern
Digital beteiligt: So fließen Mieterwünsche in Planung ein
Fernwärme oder Wärmepumpe? Dämmen oder nicht? Wie Vermieter die Mieterinnen und Mieter größerer Wohnkomplexe bei Sanierungsfragen einbinden könnten, untersuchen Forschende aktuell im Projekt Wärme4Alle. Anhand erster Erfahrungswerte haben die Forschenden den Beteiligungsprozess bereits nachgebessert.
Aktuell können die Mieterinnen und Mieter der untersuchten Wohnquartiere in Bochum, Leipzig und Karlsruhe ihre Anregungen noch bis Anfang September auf einer digitalen Beteiligungsplattform eintragen. Damit startet eine von mehreren angedachten Digitalphasen des Forschungsprojekts. „Ziel ist es, einen partizipativen und sozialverträglichen Prozess zu etablieren, mit dem sowohl Mieterinnen und Mieter in den Quartieren als auch die Vermieterinnenseite berücksichtigt wird“, fasst Dr. Markus Fritz vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) zusammen. Neben den rein technischen und finanziellen Entscheidungen, die Wohnungsbaugesellschaften und Vermieter größerer Wohnanlagen bei Sanierungen treffen müssen, sollten sie auch die Bedürfnisse der Mietenden miteinbeziehen. Der jetzt entstehende Beteiligungsprozess soll das auffangen. Als Blaupause stehen Ablauf und Erfahrungswerte am Ende des Projekts allen Interessierten zur Verfügung.
Projekt angepasst: mehr Sanierungsoptionen
Um ihr Ziel zu erreichen, haben die Forschenden ihr ursprünglich geplantes Vorgehen bereits stellenweise anpassen müssen. Statt drei unterschiedlicher Optionen für eine mögliche Modernisierung entwickelten sie für jedes der Quartiere 40 Varianten – zu groß war die Zahl der unterschiedlichen Wärmequellen in Kombinationen mit verschiedenartigen Dämmungen. Dann bewerteten sie die Varianten ökonomisch aus Sicht aller Beteiligten. Der Betrachtungszeitraum umfasst 20 Jahre.
„Die Idee dabei ist, eine Lösung zu finden, die für alle Beteiligten okay ist“, erklärt Fritz. „Eine beste Lösung für alle gibt es nicht, aber eine Lösung, die für beide Seiten akzeptabel ist.“ Um das Angebot realistisch zu halten, haben sie die verschiedenen Optionen zunächst mit den beteiligten drei Wohnungsbaugesellschaften abgeklärt. „Wir wollten auf keinen Fall falsche Erwartungen bei den Mieterinnen und Mietern schüren“, so Fritz. In Bochum zum Beispiel wäre Fernwärme gegenüber dezentralen Lösungen wie etwa Wärmepumpen die bevorzugte Möglichkeit – diese Option wird dort allerdings nicht zur Verfügung stehen, da in diesem Gebiet kein Wärmenetz vorhanden ist und auch kein Ausbau geplant ist.
Projekt angepasst: Infostände statt Workshops
Mieterinnen und Mieter, die Wohnungsbaugesellschaften und weitere lokale Akteure sollten die Optionen schließlich in Workshops vor Ort besprechen und bewerten – so der ursprüngliche Plan der Forschenden. Die Beteiligung fiel jedoch unerwartet gering aus. Daher planten die Projektpartner neu: Statt der Workshops setzten sie auf Infostände, Pavillons direkt in den Quartieren, am Nachmittag. Lokale Akteure wie Stadtwerke und Energieversorger waren beteiligt. In Karlsruhe etwa befand sich der Infostand direkt zwischen den Häusern auf einem Fußweg – hier kamen die Mieterinnen und Mieter automatisch vorbei. Entsprechend größer war die Beteiligung an diesem Format.
Kontrovers diskutiert: Dämmung der Fassade und faire Kostenverteilung
Spannend wird die Auswertung der jetzt gestarteten Digitalphase unter anderem wegen klarer Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Gebäudehülle, die an den Infoständen geäußert wurden. „Einigen Mietenden ist es wichtig, dass die Kaltmiete am Ende nicht erhöht wird – sie sprechen sich also gegen eine Dämmung der Gebäude aus“, berichtet Markus Fritz von den Ergebnissen des Projekts. „Diese Mieterinnen und Mieter haben es lieber selbst in der Hand, durch weniger Heizen Geld einzusparen.“ Andere wiederum möchten die Vorteile einer gut gedämmten Wohnung nutzen. Die Meinung dazu hängt von den jeweiligen finanziellen Möglichkeiten ab.
Außerdem spannendes Zwischenergebnis: Fair verteilte Kosten bei einer Modernisierung sind nicht unbedingt die beste Lösung. Hierzu nennt Markus Fritz ein Beispiel: So sei in einem Fall die Sanierung mit neuem Gaskessel für Mietende und Vermieter zwar gleich teuer, die Kosten seien also fair verteilt. Die Sanierung mit Luft-Wasser-Wärmepumpe sei jedoch für beide Seiten günstiger. Allerdings ist diese Lösung weniger fair, denn dabei zahlen die Mietenden im Vergleich mehr als die Vermieter.
Informiert: Blaupause für Wohnungsbaugesellschaften und Vermieter
Zum Ende des Projekts im Herbst 2026 wird es Entscheidungen zu allen drei Quartieren geben, in die die Meinung aller Seiten eingeflossen ist. Wie der Beteiligungsprozess funktioniert hat und wie Wohnungsbaugesellschaften und Vermieter bei anstehenden Sanierungen vorgehen können, können Interessierte dann auf der Projektwebsite wärme4alle.de oder auf LinkedIn nachschauen. (mb)