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Auch die Produktionsprozesse eines Möbelherstellers spielen im Vorhaben FlexBIT eine wichtige Rolle. © aRTE Möbel GmbH
Auch die Produktionsprozesse eines Möbelherstellers spielen im Vorhaben FlexBIT eine wichtige Rolle.

Flexibilität erhöhen
Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften: Fit für die Industrie

23.07.2025 | Aktualisiert am: 23.07.2025

Nicht nur Bürgerinnen und Bürger, sondern auch die Industrie kann von Energiegemeinschaften profitieren. Damit Unternehmen diese effizienter umsetzen können, entwickeln Forschende jetzt eine KI-basierte Plattform. Was nicht nur aus technischer Sicht sinnvoll ist.

Klassische Energiesysteme sind häufig starr, wenig steuerbar und nutzen erneuerbare Energiequellen nur unzureichend. An einer flexibleren Alternative für die Industrie arbeiten aktuell Forschende aus fünf Ländern im europäischen Forschungsprojekt FlexBIT. Sie entwickeln eine digitale Plattform, mit der Energiesysteme in Gebäuden effizienter und nachhaltiger werden sollen.

Die eingesetzten Energiespeicher werden hierbei KI-basiert gesteuert. Zum Einsatz kommen vor allem innovative Speichermöglichkeiten wie Wasserstoff, Vehicle-to-Grid-Systeme (V2G), Druckluftspeicher und thermische Speicher. Ihr Vorteil: Sie bieten die nötige Flexibilität, um die volatile Energieerzeugung aus regenerativen Quellen auszugleichen. Von den Entwicklungen sollen vor allem industrielle Energiegemeinschaften profitieren. Damit die Energieflüsse hier sicher und transparent funktionieren, setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Blockchain-Technologien. Dabei werden Daten nicht auf einem zentralen Server, sondern auf vielen verschiedenen Knotenpunkten im Netzwerk gespeichert.

Doch nicht nur aus technischer Sicht bringen flexiblere Energiesysteme Vorteile: „Deutschland muss dieses Jahr die EU-Richtlinie RED II umsetzen, die unter anderem die Rahmenbedingungen für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften regelt. Wir möchten bereit sein, wenn das neue Gesetz veröffentlicht wird“, so Dr. Pio Allessandro Lombardi, Projektleiter von FlexBIT beim Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und Automatisierung (Fraunhofer IFF). Die Rede ist vom Energiewirtschaftsgesetz, das momentan überarbeitet wird und nach der Verabschiedung im Bundestag in den nächsten Monaten veröffentlicht werden soll. Technisch flexibler aufgestellt zu sein, kann für Unternehmen dann vorteilhaft sein. Damit trägt das Förderprojekt dazu bei, Industrieunternehmen in ihrer Energieversorgung flexibler aufzustellen und im Wettbewerb zu stärken. 

Was ist eine Energiegemeinschaft?

Energiegemeinschaften sind Zusammenschlüsse von Privatpersonen, Unternehmen oder öffentlichen Institutionen, die gemeinsam in der Produktion, Speicherung, Verteilung und Nutzung von erneuerbaren Energien tätig sind. Ziel dieser Gemeinschaften ist es, die Energieversorgung lokal und dezentral zu organisieren und dafür erneuerbare Energiequellen zu nutzen. Diese Energie wird in erster Linie für den Eigenverbrauch der Mitglieder einer Energiegemeinschaft erzeugt, wodurch die Mitglieder von Energiekosteneinsparungen profitieren können. (Quelle: Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Energiegemeinschaften zur Beschleunigung der dezentralen Energiewende, Begleitforschung Energiewendebauen)

Energiegemeinschaft konkret: Bestattungsunternehmen mit Möbelhersteller verknüpft

Der Bestatter Aue und der Hersteller aRTE Möbel liegen nur 800 Meter voneinander entfernt und erfüllen damit eine wichtige Bedingung für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften: die räumliche Nähe. Auch sonst sprach Vieles dafür, diese Unternehmen für den deutschen Part in FlexBIT auszuwählen. Hier erprobt das Fraunhofer IFF die entwickelten Lösungen im Realbetrieb. Die Energieprofile der beiden Standorte ergänzen sich und auch die Infrastruktur bietet geeignete Voraussetzungen. Sowohl Aue Bestattungen als auch aRTE Möbel sind bereits mit Photovoltaikanlagen ausgestattet, die vorrangig den Strombedarf decken. Damit das Energiesystem flexibel ist und erneuerbare Energien optimal nutzt, setzt das Wissenschaftsteam auf Speichertechnologien. Batteriespeicher und V2G-Systeme sind an beiden Standorten vorhanden. Ein Druckluftkompressor speichert beim Möbelhersteller überschüssige Solarenergie in Form von komprimierter Luft zwischen. Zusätzlich sorgen steuerbare Produktionsprozesse für mehr Flexibilität. Bei Aue Bestattungen dienen außerdem Kühlzellen als thermische Speicher. Die verfügbaren erneuerbaren Energien werden in Echtzeit überwacht und gesteuert.

Net-Zero Energy Factory als Ideengeber

„Unser Ausgangspunkt ist das Konzept der Net-Zero Energy Factory, bei dem ein industrielles Gebäude seine eigene erneuerbare Energie erzeugt und vollständig vor Ort verbraucht – ohne Überschusseinspeisung ins Stromnetz“, so Lombardi. Damit dies funktioniert, sind flexible Lasten, Speicher oder andere Ausgleichsmechanismen erforderlich. Das Problem: Dafür müssen die Unternehmen oft Investitionen tätigen, die nicht immer wirtschaftlich sind. Um dies zu ändern, überträgt FlexBIT das Konzept der Net-Zero Energy Factory jetzt auf industrielle Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften. Wie bei Arte Möbel und Aue Bestattungen bilden die benachbarten Unternehmen eine industrielle Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft gemäß der EU-Richtlinie RED II und teilen die lokal erzeugte Solarenergie. Wird in einem Betrieb mehr Strom benötigt als vor Ort erzeugt werden kann, wird automatisch Strom aus der Photovoltaikproduktion des Partnerunternehmens bezogen. Dieser Strom wird zwar physikalisch in das öffentliche Netz eingespeist, aber innerhalb der Gemeinschaft unmittelbar vom anderen Betrieb verbraucht. Auf diese Weise bleibt der Strom innerhalb der Gemeinschaft, ohne dass der Netzbetreiber aktiv in den Bilanzkreis eingreifen muss. Ein Forschungsteam setzt dafür intelligente Lastausgleichssysteme ein, die den Austausch koordinieren und die Eigenverbrauchsquote maximieren.

Erste Tests im Herbst

Aktuell installieren die Forschenden die Messtechnik in den Unternehmen. Im Herbst sollen die ersten Testdurchläufe starten. Das internationale Projekt „FlexBIT– Flexibility Exploitation for Residential, Tertiary and Industrial Buildings“ ist im Dezember 2024 gestartet und läuft bis Juni 2027. Insgesamt zwölf Projektpartner aus Deutschland, Griechenland, Italien, Malta und Polen bringen sich hier ein. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert das Vorhaben im Rahmen der Förderinitiative CET Partnership.