Im Forschungsprojekt EE4InG-2 identifizieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Innovationen und Technologietrends und bewerten ihre Relevanz für das zukünftige Energiesystem in Industrie und Gewerbe. © desinko – stock.adobe.com (generiert mit KI)
Im Forschungsprojekt EE4InG-2 identifizieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Innovationen und Technologietrends und bewerten ihre Relevanz für das zukünftige Energiesystem in Industrie und Gewerbe.

EE4InG2 – Begleitforschung für Industrie und Gewerbe
Wir müssen bis 2045 klimaneutral sein

Oliver Lösch Mission Transfer

04.04.2024 | Aktualisiert am: 15.11.2024

Die Begleitforschung für Industrie und Gewerbe bringt Zukunftstechnologien nach vorne und unterstützt die Politik, in der Forschungsförderung zielgerichtete Prioritäten zu setzen. Im Interview spricht Oliver Lösch über Handlungsempfehlungen für die Energieforschung und Erfolgsfaktoren in Forschungsprojekten.

Porträtfoto Oliver Lösch vom IREES © Oliver Lösch/privat
Die Begleitforschung Industrie und Gewerbe analysiert die Trends in verschiedenen Industriezweigen. Oliver Lösch übernimmt zusammen mit Nele Friedrichsen (beide vom IREES) die Projektkoordination.

Oliver Lösch ist Projektkoordinator der Begleitforschung für Industrie und Gewerbe. Er arbeitet beim Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien IREES, das im Begleitforschungsprojekt den Fokus auf die Weiterentwicklung des Forschungsnetzwerks Industrie und Gewerbe sowie die Analyse ausgewählter Themen legt. Lösch leitet beim IREES das Geschäftsfeld Energiepolitik und -Technologien.

Herr Lösch, was macht die Begleitforschung Industrie und Gewerbe?

Oliver Lösch: Die Begleitforschung unterstützt dabei, die Energieeffizienz in der Industrie nach vorne zu bringen: Die Forschung ist in diesem Bereich sehr heterogen und es tut sich extrem viel. Sie ist sehr kleinteilig mit vielen Stakeholdern in ihren spezifischen Forschungsgebieten. Mit der Begleitforschung erstellen wir Schwerpunktanalysen zu besonders relevanten Energie- und Forschungsthemen. So haben wir die Möglichkeit, einen breiten Gesamtüberblick über die Forschungslandschaft für Industrie und Gewerbe in Deutschland und darüber hinaus zu gewinnen. Dieser Überblick und das damit neu erworbene Wissen sind wichtig, um Handlungsempfehlungen abzuleiten und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zu unterstützen, die Forschungsförderung weiterzuentwickeln.

Begleitforschung Industrie und Gewerbe EE4InG-2

Die Begleitforschung für Energieeffizienz in Industrie und Gewerbe hat unterschiedliche Schwerpunkte und Projektpartner. Das IREES koordiniert EE4InG-2 unter der Leitung von Oliver Lösch.

Weiterentwicklung des Forschungsnetzwerkes und Analyse ausgewählter Themen der Begleitforschung: IREES GmbH - Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien

Analysen zu gegenwärtigen und zukünftigen Schlüsseltechniken effizienter Energieanwendung in der Grundstoffindustrie: Institut für Industrieofenbau und Wärmetechnik

Analysen für ausgewählte effiziente Querschnittstechniken und Öffentlichkeitsarbeit für die Begleitforschung: ETA-Solutions GmbH

Wie könnte so eine Handlungsempfehlung aussehen?

Wir wollen 2045 klimaneutral sein. Wir wollen es nicht nur, wir müssen es! Das ist eine riesige Herausforderung für alle, auch für die Industrie. Wir müssen wegkommen von der Nutzung fossiler Energien. Da sind noch sehr, sehr viele Innovationen und energieeffiziente Technologien gefragt. Wir müssen in Sachen Energieeffizienz alles nutzen, was technisch geht und was wirtschaftlich darstellbar ist. Und die Politik kann und soll dabei mithelfen. Die Begleitforschung kann mit ihren Analysen Trends und Innovationen in der Industrie-Energieforschung erkennen, idealerweise Erfolgsfaktoren definieren und damit die Forschungsförderung gezielt unterstützen. Wir haben mit der Begleitforschung die Möglichkeit, politische Prozesse zu begleiten und Anstöße für Anpassungen zu geben, die sich dann etwa auch auf die Richtlinie für das Energieforschungsprogramm auswirken könnten.

Begleitforschung analysiert laufende und abgeschlossene Forschungsprojekte

Wie sehen solche Analysen aus?

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unseres Teams schauen sich den Bereich Industrie und Gewerbe im Detail an: Wo gibt es Forschungsbedarf? An was wird aktuell und an was wurde in der Vergangenheit geforscht? Wie optimal ist die Forschungsförderung für den Bereich Industrie und Gewerbe? Gibt es vielleicht Lücken oder fehlt ein politisches Instrument?

Können sie das anhand eines Beispiels erklären?

Nehmen wir die thermischen Speicher — das sind Querschnittstechnologien für Wärmeanwendungen, die beispielsweise Thema im Forschungsfeld Wärme und Abwärme sind. Es gibt zum Beispiel sensible Wärmespeicher oder Latentwärmespeicher [Anm. d. Redaktion: Latentwärmespeicher können Wärmeenergie über einen langen Zeitraum speichern und damit einen wertvollen Beitrag zur Energiewende leisten]. In der Industrie haben wir Abwärme auf niedrigen, mittleren und hohen Temperaturniveaus. Hier gibt es unterschiedliche technische Ansätze und Anforderungen, um diese Wärme zu speichern. An dieser Stelle kommt die Begleitforschung ins Spiel und analysiert die Techniken in laufenden und abgeschlossenen Forschungsprojekten: Welcher technische Ansatz ist für welche Anwendung in der Industrie, für welche Branche, auf welchem Temperaturniveau geeignet? Sind thermische oder elektrische Speicher für bestimmte Anwendungsfälle sinnvoller, aus technischer oder ökonomischer Sicht, oder auch eine Kombination aus beiden Technologien? Wie kann ein optimiertes Wärme-Management innerhalb eines Industrieunternehmens aussehen - wie kann die Abwärme besser genutzt und in den Prozess zurückgeführt werden?

Diese Fragen werden dann über die Analysen der Begleitforschung mit einem detaillierten Blick auf viele, unterschiedliche Forschungsprojekte beantwortet?

Ja, so in etwa. Wir haben eine Art Heuristik entwickelt, um zu gucken, welche Technologien wir in der Begleitforschung näher betrachten. Neben den thermischen Speichern sind das aktuell zum Beispiel auch die Hochtemperaturwärmepumpen für die Industrie. Mit einer gezielten Ex-Post Analyse wollen wir hier schauen, inwieweit das Energieforschungsprogramm tatsächlich auch eine Entwicklung und Diffusion der Technik beschleunigt hat. Das heißt, inwieweit sind Hochtemperaturwärmepumpen für die Industrie wirklich in den Markt gelangt? Wie viele von diesen Anlagen gibt es? Sind wir mit unserer Forschungslandschaft tatsächlich da, wo wir sein müssten? Sind andere vielleicht schneller als wir? Zudem wollen wir über unsere Analysen auch Erfolgsfaktoren für Technologien identifizieren und definieren.

Begleitforschung identifiziert Erfolgsfaktoren von Forschungsprojekten

Gruppenfoto Begleitforschung EE4InG-2 beim Kick-Off-Treffen mit Mitarbeitenden des Projektträger Jülich und Vertretern des BMWK. © Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH / Leona Niemeyer
Die Begleitforschung will insbesondere auch den Austausch zwischen Akteurinnen und Akteuren in Industrie, Wissenschaft und Politik stärken. Daher ist dem Projektteam eine enge Zusammenarbeit mit dem Forschungsnetzwerk Industrie und Gewerbe wichtig. Beim Kick-Off-Treffen der Begleitforschung EE4InG-2 wurden erste Ideen dazu ausgetauscht.

Was wäre denn beispielsweise ein Erfolgsfaktor?

Es gibt viele Faktoren, die für einen Erfolg einer Technik auf dem Markt entscheidend sind. Ein entscheidender Faktor ist auch die Erfahrung. Aus ihr müssen wir für die Zukunft lernen. Und das ist eigentlich das, was wir mit der Begleitforschung und den Analysen machen: Was ist gut gelaufen? Welche Technologie oder Technik sollte weiterverfolgt werden? Wo gibt es tatsächlich robuste Ergebnisse? Diese Fragestellungen werden wir auch interaktiv mit den entsprechenden Stakeholdern in den Forschungsnetzwerken bearbeiten. Das heißt, hier führen wir Experteninterviews und Fachgespräche - sowohl mit dem Blick nach hinten als auch mit dem Blick nach vorne. Und das ist dann wieder ein Startpunkt für Handlungsempfehlungen. Das Ziel sind robuste Aussagen für ein innovatives Energiesystem der Zukunft - was wird mit hoher Wahrscheinlichkeit relevant, sodass die Politik Prioritäten in der Forschungsförderung setzen kann.

Wie definieren Sie in der Begleitforschung Ihre Schwerpunkte?

Wir müssen Schwerpunkte dort setzen, wo wir in die Tiefe gehen wollen bezüglich bestimmter Techniken und bestimmter Trends. Dazu haben wir zunächst einmal Relevanzkriterien definiert, wie etwa politische und sozioökonomische Rahmenbedingungen und die Technologiereife. Entscheidend ist natürlich auch die Energiewirtschaft: Wie viel Energie kann beispielsweise mit dieser Technik eingespart werden heute und in 2030? Oder wie viele Petajoules (Anm. der Redaktion: Petajoule (PJ – Maßeinheit für Energie) können mit dieser Technik adressiert werden, um Energie in bestimmten Branchen zu sparen? Und daraus ergibt sich dann im Vergleich zu anderen Techniken oder Technikbereichen, die wir uns auch ansehen, eine gewisse Schwerpunktsetzung.

Die Begleitforschung arbeitet auch eng mit dem Forschungsnetzwerk Industrie und Gewerbe zusammen. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus?

Diese Zusammenarbeit wollen wir gemeinsam mit den Stakeholdern und den Kuratorinnen und Kuratoren des Netzwerks entwickeln. Es ist ein etabliertes Netzwerk mit etablierten Strukturen. Hier wollen wir in intensive Gespräche und in den Austausch gehen, um das gemeinsame Ziel – die Energiewende in der Industrie – voranzutreiben. Es geht darum, Forschende zusammenzubringen, die an ähnlichen Dingen arbeiten, die thematische Schnittmengen haben, aber noch nicht hinreichend vernetzt sind oder noch nicht hinreichend oft miteinander sprechen. Vielleicht könnte es auch sinnvoll sein, neue Cluster in dem Netzwerk einzurichten oder sogar Cluster zu Forschungsfeldern hochzustufen. Solche Empfehlungen lassen sich idealerweise aus den Analysen der Begleitforschung ableiten. Denn mit dem Blick in die Breite können wir zum Beispiel Aussagen darüber treffen, welche Technologietrends sich verstetigen oder welche Techniken künftig eine hohe Relevanz in der Industrie haben. Damit können wir schauen, ob es diesen Fokus auch in den Forschungsfeldern gibt oder geben sollte.

Das Interview führte Annika Zeitler, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.