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Schnellere Prozessentwicklung in der chemischen Industrie: Mithilfe maschinellen Lernens können zukünftig Verfahrensvarianten ohne Experiment untersucht und bewertet werden. © Li Ding – stock.adobe.com
Schnellere Prozessentwicklung in der chemischen Industrie: Mithilfe maschinellen Lernens können zukünftig Verfahrensvarianten ohne Experiment untersucht und bewertet werden.

Chemische Verfahrenstechnik
Wie digitale Stoffdaten-Modelle die Prozessentwicklung beschleunigen und Ressourcen sparen

30.07.2025 | Aktualisiert am: 30.07.2025

Im Projekt DiKey arbeiten Forschende daran, neue chemische Prozesse zukünftig mithilfe der Modellierung von Stoffdaten entwickeln zu können. Ihr Ansatz: maschinelles Lernen. So lassen sich Markteinführungszeiten verkürzen und die Nachhaltigkeit steigern. Ein Praxistest soll die Vorteile der neuen Methode belegen.

Die chemische Industrie steht aktuell vor mehreren Herausforderungen: die Energiewende umsetzen, Zugang zu neuen Rohstoffquellen finden sowie immer kürzere Produktlebenszyklen realisieren. Daher ist es notwendig, neue Prozesse zu entwickeln, die schnell verfügbar sind und gleichzeitig hohe Nachhaltigkeitsstandards erfüllen. Hier setzt das Forschungsprojekt DiKey an.

Maschinelles Lernen erleichtert Suche nach neuen Verfahrensvarianten

Um neue Prozesse konfigurieren zu können, müssen insbesondere die Stoffdaten der eingesetzten Rohstoffe und Gemische bekannt sein. Aufgrund zahlreicher möglicher Stoffgemische ist jedoch eine experimentelle Ermittlung aller relevanten Daten praktisch nicht umsetzbar. Deshalb setzen die Forschenden in DiKey Methoden des Maschinellen Lernens (Machine Learning) ein. Hiermit wollen sie hochgenaue und breit anwendbare Modelle zur Vorhersage von Stoffdaten erstellen. Anders als bisherige physikalische Modelle sind diese deutlich leistungsfähiger und flexibler.

Für eine möglichst praxisnahe Entwicklung nutzt das DiKey-Team das sogenannte Föderierte Lernen (Federated Learning) – eine Methode des Maschinellen Lernens, bei der Modelle auf mehreren Geräten trainiert werden, unabhängig von einem zentralen Datensatz. Außerdem implementieren die Forschenden Verschlüsselungstechnologien, um Firmendaten in das Modelltraining miteinzubeziehen und dabei stets die Vertraulichkeit zu wahren. So kann eine sehr große Zahl von Verfahrensvarianten ohne Experiment untersucht und bewertet werden.

Aus der Branche, für die Branche: DiKey erprobt Modelle in der Praxis und lädt zum Erfahrungsaustausch ein

Die neuen Modelle werden gezielt auf die Bedürfnisse der Chemischen Industrie zugeschnitten. So sind neben den Projektpartnern Fraunhofer IWTM, DECHEMA, RTPU Kaiserslautern, Ruhr-Universität Bochum und INOSIM GmbH als assoziierte Partner auch bekannte Chemieunternehmen wie Bayer, Evonik Operations und Merck beteiligt. Sie bringen eigene Stoffdaten und Anwendungsszenarien in das Forschungsprojekt ein.

Forschungsfeld Chemische Verfahrenstechnik

Das Forschungsfeld Chemische Verfahrenstechnik ist Teil des Forschungsnetzwerks Industrie und Gewerbe. Hier tauschen sich Fachleute aus, um die Energiewende in der chemischen Industrie aktiv voranzubringen und wirkungsvoll zu gestalten. Gemeinsam diskutieren sie darüber, wie Forschungsergebnisse zeitnah in die Praxis überführt werden können und identifizieren weitere Forschungsbedarfe. Unter anderem arbeiten die Forscherinnen und Forscher an neuen Reaktorkonzepten, die einen kontinuierlichen und energieeffizienten Betrieb der Anlagen und Prozesse ermöglichen. Außerdem entwickeln und optimieren sie modulare Anlagen, die Produktionsabläufe flexibler gestalten und eine schnelle Integration neuer Prozesse erlauben. Auch die Digitalisierung spielt eine zentrale Rolle: Sie schafft die Grundlage für eine Kommunikation zwischen den Anlagen-Modulen und erlaubt eine durchgängige Dokumentation über den gesamten Lebens- und Produktionszyklus hinweg.

Das Forschungsfeld chemische Verfahrenstechnik hat bereits viele Forschungsprojekte hervorgebracht. Zu den aktuell laufenden zählen DiKey, RAMP und REUNION.

Nach der Modellentwicklung will das DiKey-Team die vielversprechendsten Verfahren auswählen, um diese mit den beteiligten Unternehmen in der Praxis zu erproben. Dazu werden die Verfahren weiter modellgestützt optimiert und auch hinsichtlich Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit bewertet. Für die praktische Umsetzung kombinieren die Forschenden daten- und erfahrungsbasierte Methoden. Auf diese Weise können sie aus einem Portfolio von Einzelapparaten ermitteln, wie sich diese bestmöglich für gegebene Synthese- und Trennaufgaben verschalten lassen. Der Praxistest soll insbesondere den Mehrwert der Modelle demonstrieren und herauskristallisieren, welche neuen Geschäftsmodelle sich auf den Erkenntnissen aufbauen lassen.

Neben den Projektpartnern und Industrieunternehmen bietet das DiKey-Team auch weiteren Expertinnen und Experten die Möglichkeit, mitzumachen. So sind während des Projekts Stakeholder-Workshops geplant, um über die Erkenntnisse zu diskutieren. Interessierte können sich dazu bereits jetzt auf der DiKey-Projekt-Webseite registrieren.

Forschungsprojekt REUNION

Mithilfe modularisierter Produktionsprozesse lässt sich in der chemischen Industrie viel Energie einsparen. Jedoch fehlen auf dem Markt bislang integrierbare, genehmigungsfähige Anlagen-Module und entsprechende Hersteller. Im Forschungsprojekt REUNION arbeiten Zulieferer, Betreiber, Universitäten und Genehmigungsbehörden zusammen, um die Anforderungen an die Module zu klären und anschließend in der Praxis umzusetzen. Wie verschiedene Module dabei kombiniert werden können, weisen die Forschenden in gemeinsamen Aufbauten nach. Die Module dokumentieren sie nach den sogenannten FAIR-Prinzipien (findable, accessible, interoperable, reusable), um eine flexible Prozessentwicklung und Genehmigung von modularen chemischen Anlagen zu ermöglichen. Hierzu führen die Forschenden Planspiele mit allen Projektbeteiligten durch.

Forschungsprojekt RAMP

Im Forschungsprojekt RAMP arbeitet ein Team daran, mobile Robotersysteme in modularen Prozessanlagen der Pharma-Industrie einzusetzen. Damit sollen der Energieverbrauch gesenkt und Produktqualität sowie Flexibilität in der Produktion gesteigert werden. Derzeit werden die eingesetzten Stoffe durch lange, komplex verzweigte Rohrleitungen transportiert. Dabei geht wertvolle Energie sowie Produktmasse verloren. Zudem wird die Qualitätsüberwachung erschwert. Die aufwändigen Reinigungs- und Sterilisationsprozesse verursachen einen hohen Energieaufwand und mindern die Vorteile modularer Anlagen. Durch den Einsatz automatisiert und autonom bewegbarer Produktionseinheiten – etwa Speicherbehältern, Temperier- oder Dosiereinheiten sowie Bio-Reaktoren – sollen diese Probleme gelöst und die Rohrleitungen überflüssig werden.