
Geothermie
Geothermie-Anlage sorgt für klimafreundliche Wärme in Schwerin
Seit vergangenem Oktober liefert eine Geothermie-Anlage umweltfreundliche Wärme für die Stadt Schwerin. Die Erfahrungen, die die Projektbeteiligten bei Entwicklung, Bau und Inbetriebnahme der Anlage gesammelt haben, sollen dazu beitragen, die Wärmeerzeugung mittels Geothermie weiter zu dekarbonisieren.
Die Geothermie-Anlage „Lankow I“ liefert seit gut drei Monaten grüne Wärme für Schwerin. Sie erzielt derzeit eine Leistung von etwa vier bis sieben Megawatt. Die Stadtwerke Schwerin haben die Wärmepumpen der Anlage am 22. Oktober 2024 in Betrieb genommen. Beim ersten Versuch einer Inbetriebnahme war es vorab zu unerwarteten Verzögerungen gekommen. Hierbei hatte der hohe Anteil an losem Sand in der Sole das Projektteam gefordert. Als Sole bezeichnet man das sehr salzhaltige Thermalwasser, das auch im Untergrund Schwerins vorzufinden ist. Um Wärme zu gewinnen, wird dieses warme Thermalwasser an die Oberfläche gefördert. Zusätzliche Filter sorgen mittlerweile dafür, dass die darin enthaltene, unerwartet große Sandmenge aus dem Wasser herausgefiltert wird.
Auf den Erkenntnissen, die die Projektbeteiligten während der Erschließung des Untergrunds sowie von der Entwicklung bis zum laufenden Betrieb der Geothermie-Anlage gewonnen haben, baut das Verbundvorhaben DeCarbSN auf. Übergeordnetes Ziel der Forscherinnen und Forscher ist es, den Ausbau der mitteltiefen Geothermie voranzutreiben und die Fernwärmeversorgung in Norddeutschland zu dekarbonisieren.
Potenzial und Herausforderung im Schweriner Untergrund
Schwerin liegt im sogenannten Norddeutschen Becken, das aufgrund seiner Beschaffenheit ein bedeutendes Potenzial für die Geothermie bietet. Bedeutsam im Untergrund von Schwerin ist ein etwa 200 Millionen Jahre alter Flusslauf, der porösen Sandstein abgelagert hat. Der Sandstein ist von hoher hydraulischer Qualität, da er nur gering verfestigt wurde. Dadurch wird jedoch auch mehr Sand mit der Sole gefördert als die Betreiber vorher angenommen hatten. Dies verzögerte wiederum die Inbetriebnahme der Geothermie-Anlage. Denn um die nachgelagerte Technik der Anlage vor Schäden zu schützen, mussten die Stadtwerke Schwerin zusätzliche Filter für den Sand installieren.
Die Sole unter Schwerin ist in einer Tiefe von etwa 1.300 Metern 56 Grad Celsius warm. Um sie an die Oberfläche zu transportieren, wird eine Förderpumpe in der Förderbohrung genutzt. Bei Volllast kann die Pumpe etwa 150 Kubikmeter Sole pro Stunde an die Oberfläche liefern. Oben angekommen, wird dem Wasser in der Geothermie-Anlage die thermische Energie über Wärmetauscher entzogen. Mittels Wärmepumpen wird das Temperaturniveau für die Einspeisung ins Fernwärmenetz weiter angehoben. Das abgekühlte Salzwasser wird anschließend über eine zweite Bohrung (Injektionsbohrung) in die ursprüngliche Gesteinsschicht zurückgeleitet, wo es sich wieder erwärmt.
Mitteltiefe Geothermie liefert Fernwärme und Wissenstransfer
Seit ihrer Inbetriebnahme erzeugt die Geothermie-Anlage in Schwerin konstant Fernwärme. Mit der Erdwärme anstelle von Erdgas können jährlich etwa 7.500 Tonnen CO₂ eingespart werden. Die Anlage ist deutschlandweit besonders, da sie erstmalig mitteltiefe Geothermie mit leistungsstarken Wärmepumpen kombiniert: Vier Hochleistungswärmepumpen sind nachfrageabhängig im Einsatz, um Fernwärme aus mittelwarmer Sole zu erzeugen.

Mit ihrem Aufbau ist die Anlage speziell an die geologischen Bedingungen im Norddeutschen Becken ausgerichtet. Die erreichten Fortschritte der Anlagenbetreiber sind auch Vorbild für weitere Projekte: Im Norddeutschen Becken sind die geologischen Gegebenheiten vielerorts ähnlich. Daher teilen die Stadtwerke Schwerin ihre Erfahrungen, die sie mit dem Bau und der Inbetriebnahme der Geothermie-Anlage an ihrem Modellstandort gesammelt haben: „Mit diesem Wissenstransfer in der Branche wollen wir zur Dekarbonisierung von Wärme durch die Geothermie beitragen“, sagt André Knaack, Projektleiter von den Stadtwerken Schwerin. So sollen weitere Standorte in Deutschland mit vergleichbarer Netzinfrastruktur von den Forschungsergebnissen profitieren.
Einen Einblick in die Geothermie-Anlage „Lankow I“ bietet ein virtueller Rundgang. Dabei werden unter anderem die Brunnenstube, der Thermaltechnikraum, der Wärmepumpenraum, die Injektionsbohrung und das Fernwärmenetz näher betrachtet.
Forschungsprojekt zur Mitteltiefen Geothermie
Im Verbundvorhaben DeCarbSN arbeiten die Georg-August-Universität Göttingen, die Stadtwerke Schwerin, die Geothermie Neubrandenburg GmbH und das Leibnitz-Institut für Angewandte Geophysik zusammen. Dass das Sandsteinreservoir in Schwerin erkundet und erschlossen werden konnte, war ein wichtiger Fortschritt für die mitteltiefe Geothermie, den das Projekt mesoTherm begleitet hat. Wichtige Grundlagen haben ebenfalls die vorausgegangenen Vorhaben Sandsteinfazies und GeoPoNDD geliefert.
Neben dem Ziel, den Anteil geothermischer Wärme in der Fernwärmeversorgung weiter zu steigern, forschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch zu Fragestellungen, die den Ausbau der Geothermie insgesamt voranbringen. Hierzu wollen sie unter anderem ein 3D-Reservoirmodell (digital twin) basierend auf hochauflösenden 3D-Seismikdaten entwickeln, die Förderleistung hydrothermaler Dubletten steigern und Datenmaterial für die Entwicklung eines nachhaltigen Erschließungs- und Bewirtschaftungskonzept bereitstellen. Mit der am Standort Schwerin gewonnenen und zukünftig für weitere Standorte anwendbaren Expertise soll so bis 2035 ein deutlicher Zubau geothermischer Leistung erzielt werden. (av)