Niedrigenergie-Schulneubau
Schulneubau mit Niedrig-Exergie-Wärmekonzept und Stromlastmanagement
Der Neubau des Willibald-Gluck-Gymnasiums in Neumarkt in der Oberpfalz ist seit August 2015 neuer Lern- und Lebensraum für 1.400 Schüler. Das viergeschossige Bauwerk mit zwei innenliegenden Atrien und 65 Klassenräumen wurde ergänzt durch eine ebenfalls energieoptimierte Dreifeld-Sporthalle. Mit verschiedenen innovativen Strategien sollte die Plusenergie-Schule in der Jahresbilanz mehr Primärenergie aus regenerativen Quellen gewinnen als verbraucht wird. Die Bilanz für das erste Betriebsjahr zeigt Licht und Schatten.
Ursprünglich sollte das bestehende, 1977 an einem anderen Standort erbaute Gymnasium vollständig saniert und erweitert werden. Die dafür nötigen Planungen waren bereits weit fortgeschritten, als festgestellt wurde, dass die bestehende Flächendrainage unter der Bestandsbodenplatte schadhaft ist. Deshalb wurde die mit 27 Millionen Euro veranschlagte Sanierung nicht umgesetzt. So entstand das Projekt eines Neubaus, der rund 300 Meter entfernt vom alten Standort errichtet wurde. Bauherr ist der Landkreis Neumarkt.
Forschungsfokus
Die Errichtung und Inbetriebnahme der Schule inklusive Turnhalle als Plusenergiegebäude wurde wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Das hierbei realisierte innovative Energie- und Technikkonzept wird anhand speziell zu entwickelnder Betriebführungsstrategien so gesteuert, dass eine hohe Energieeffizienz bei gleichzeitiger Steigerung der Eigenstromnutzung und ein hoher thermischer und hygienischer Innenraumkomfort sichergestellt wird. Außerdem wurden speziell für die Energiepfähle und das Agrothermiefeld Betriebsstrategien erarbeitet, welche die effektive Nutzung der regenerativen Niedrig-Exergie-Wärmequellen ermöglichen. Für den Unterricht wurde ein Energielabor eingerichtet, welches Einblicke in die Energieperformance ermöglicht und sich in den Unterricht einbinden lässt.
Gebäudekonzept
Das Gymnasium befindet sich samt Dreifeld-Sporthalle am westlichen Rand von Neumarkt in der Oberpfalz und ist umgeben von relativ großzügigen Grünflächen. Die Erschließungsachse des Campus verläuft von Ost nach West. Sie führt vom im Westen gelegenen Parkplatz zum Haupteingang, entlang der Turnhalle in Richtung Mensa, welche sich in etwa 300 Meter Entfernung am ehemaligen Standort des Gymnasiums befindet. Die Fassadengestaltung des Schulneubaus ist geprägt von den in den Obergeschossen angebrachten roten Fertigteilen aus Sichtbeton, deren Fugen das Erscheinungsbild des langgezogenen Baukörpers prägen. Die in unterschiedlichem Abstand vorhandenen Fensterbänder der Obergeschosse mit den bunten Glasscheiben vor den Öffnungsflügeln sollen das Fassadenbild auflockern. Das Erdgeschoss ist mit einer durchgehenden Glasfassade versehen.
Ein weit auskragender Block im 1. Obergeschoss, in welchem das Lehrerzimmer untergebracht ist, markiert den Haupteingang der Schule und dienen gleichzeitig als dessen Überdachung. Die viergeschossige Schule verfügt über zwei innenliegende Atrien, welche als Pausenhalle dienen.
Energiekonzept
Für die Wärme- und Kälteversorgung des Schulgebäudes und der Turnhalle wurde ein Niedrig-Exergie-Konzept umgesetzt. Als regenerative Wärmequellen zur Versorgung des Schulgebäudes und der Turnhalle wurde ein 4.400 m² großes Agrothermiefeld unterhalb des Sportplatzes eingepflügt. Es hat eine Wärmeleistung von 90 kW. Die Einbringung erfolgte in etwa 2,25 m Tiefe mit Hilfe eines speziellen Kettenfahrzeuges. Als zweite regenerative Wärmequelle wurden 99 für die Gründung notwendige Bohrpfähle thermisch aktiviert. Diese sind zwischen 8 bis 12 Meter tief und stellen insgesamt eine Wärmeleistung von 100 kW bereit. Als zusätzliche Wärmequelle wird die Kühlung der IT-Server und weiterer elektrotechnischer Systeme herangezogen. Auf diese drei Wärmequellen greifen zwei Wärmepumpen mit je 43 kW thermisch Leistung zurück, welche 75% der Wärmeerzeugung für die Schule und Turnhalle (Heizung und Trinkwarmwasser) übernehmen. Die restlichen 25% der Wärmeerzeugung übernimmt ein Gas-Brennwertkessel mit 400 kW thermischer Spitzenleistung.
Um eine positive Jahresenergiebilanz für das Schulgebäude und die Turnhalle zu erzielen, wurden auf den Dächern der Gebäude Solarstrom-Module installiert. Auf dem Dach der Turnhalle wurden auf den opaken, südorientierten Bereichen des Shed-Daches Solarstrommodule mit einer Peak-Leistung von 75,4 kW und auf dem nach Osten orientierten Schuldach 95,7 kW und auf dem nach Westen orientierten Schuldach 119,6 kW mit einer jeweils flachen Neigung installiert.
Um den Eigennutzungsanteil des erzeugten Photovoltaik-Stroms zu erhöhen, wurde eine Vanadium-Redox-Flow-Batterie mit einer Kapazität von 130 kWh und ein speziell angepasstes Batteriemanagement installiert.
Gebäudeperformance
Der jährliche Stromverbrauch bleibt mit 28,5 kWh/m²a deutlich unter den Erwartungen. Das liegt vor allem daran, dass der nutzerspezifische Stromverbrauch geringer ist als angenommen. Mit einer Leistung von rund 290 kWp decken die PV-Anlagen davon 35 Prozent in der Jahresbilanz. Die Anlagenkomponenten sind so ausgelegt, dass ein Ausbau auf 600 kWp möglich ist. Damit könnte die Schule Plusenergieniveau erreichen.
Der Solarstromertrag entspricht den ebenfalls den Erwartungen der Planer. Zeitweise kann er den Stromverbrauch von Schule und Turnhalle komplett decken. Im Durchschnitt werden 44 Prozent direkt genutzt, was hinter den Planungswerten zurückbleibt. Das liegt an Problemen mit der eingesetzten Redox-Flow-Batterie, die nicht reibungslos funktioniert und einen zu geringen Speicherwirkungsgrad zeigt.
Die beiden Wärmepumpen liefern wie geplant 70 Prozent der Heizwärme für Schule und Turnhalle über Fußbodenheizung, Betonkerntemperierung und Lüftungsanlagen.
Die wissenschaftliche Evaluierung auf Basis des messtechnischen Monitorings wurde bis Sommer 2018 fortgesetzt.
Für Schüler und Lehrer wurde eine Lernplattform eingerichtet. In Workshops werden den Schülern die Anlagentechnik der Schule und die Auswertungsmöglichkeiten sowie mögliche Projektthemen vorgestellt. Zudem erhielten die Schüler und und die Physiklehrerin einen Einführungskurs in die Energiemonitoring-Software. Mit Lehrern und Schülern findet ein intensiver Informationsaustausch statt.
Die Gebäudeperformance wird samt der aufgezeichneten Betriebsdaten visualisiert, um die Informationen für Schüler, Lehrer, Betreiber und Bauherr zugänglich zu machen. Auf diese Weise kann das energieoptimierte Gebäude selbst Gegenstand des Unterrichts werden – in Form von Workshops, Seminaren, Energielabor sollen die Schüler aktiv eingebunden werden, um das wissenschaftliche Monitoring und den Gebäudebetrieb mit zu begleiten und zu gestalten.
Wirtschaftlichkeit
Die Kosten für den Neubau der Schule und der Dreifeld-Turnhalle belaufen sich auf rund 35 Millionen Euro (Kostenschätzung).