
Projekt Add-on
Forscherteam macht Netzspannung stabiler
Der Umbau des Energiesystems erfordert es, dass Systemdienstleistungen zuverlässig bereitgestellt werden. Das Team des Vorhabens Add-On unter Leitung der Fachhochschule Kiel entwickelte in Schleswig-Holstein ein Modul, das die Spannung schwacher Stromnetze positiv beeinflusst. Was die Fachleute vor Herausforderungen stellte und wie sie diese erfolgreich lösten.
Windräder, Photovoltaikmodule, Biogasanlagen: Im Zuge der Energiewende wird immer mehr Strom aus erneuerbaren Energien ins Netz eingespeist. Weil dabei viele dezentrale Stromerzeugungsquellen angeschlossen werden, hat sich der Anteil an Leistungselektronik im Netz erhöht. Dadurch wird das System fortwährend komplexer und es entstehen neue Herausforderungen.
Um Folgen für die Spannung, wie Oberschwingungen oder Resonanzen, besser in den Griff zu bekommen, haben Fachhochschule und Universität Kiel sowie das Unternehmen WSTech in Flensburg im Rahmen des Verbundvorhabens Add-On zusammengearbeitet. Das Ziel: Wechselrichter so erweitern (engl. „to add“: hinzufügen oder anhängen), dass die Spannungsqualität im Netz erhöht wird. Bislang werden oft separate Umrichter eingesetzt statt die benötigten Funktionalitäten in existierende Geräte zu integrieren. Bislang werden oft separate Umrichter eingesetzt statt die benötigten Funktionalitäten in existierende Geräte zu integrieren. Das verringert nicht nur die Netzverträglichkeit, sondern treibt auch die Kosten in die Höhe. Genau daran wollte das Projektteam etwas ändern.
Netzspannung mittels Add-On besser messen und steuern
Bei dem Add-On handelt es sich um ein zusätzliches Mess- und Steuerungsmodul für einen Frequenzumrichter. Dieses Modul kann man sich wie eine Extra-Software vorstellen, vergleichbar mit einem Plug-in bei einer Computer-App. Es misst und überwacht die Spannungsqualität am Netzanschlusspunkt und sendet zusätzliche Steuersignale an den Umrichter, der dann die Spannung des in das Netz eingespeisten Stroms anpasst.

Im Projekt erfassten die Expertinnen und Experten der Fachhochschule in einem Labornetz zunächst den Ist-Zustand der Spannung, maßen folglich Oberschwingungen und Resonanzen. Anschließend kümmerten sich die Fachleute des Konsortiums darum, den Wechselrichter zu steuern. Die Messwerte wurden dabei dazu genutzt, dem Wechselrichter über eine Schnittstelle zusätzliche Signale, sogenannte Regelgrößen, vorzugeben, um den Soll-Zustand zu erreichen.
Nach gelösten Schwierigkeiten erzielt Team Erfolge
„Eine unvorhergesehene Herausforderung war für uns, dass die zusätzlich von einem Umrichter ausgesendeten Filterströme zu unerwarteten Ripple-Strömen im Gleichspannungszwischenkreis führen können“, sagt Projektleiter Prof. Hans-Jürgen Hinrichs von der Fachhochschule Kiel. „Deswegen haben wir die Implementierung der Oberwelleneinspeisung auf einem Batteriewechselrichter realisiert.“ Eine weitere Schwierigkeit sei die Integration des Add-Ons in einen bestehenden Umrichter gewesen. „Wir mussten das Add-on integrieren ohne die bestehende Regelung negativ zu beeinflussen oder zu ändern“, erzählt Hinrichs und erklärt: „Gleichzeitig sollte das Add-On aber sehr flexibel sein, um sich an Umrichter mit verschiedenen Nennleistungen, Regelungsstrategien und -entwürfen anpassen zu können.“
Neben den Hürden, die es während der Projektlaufzeit zu überwinden galt, gab es auch viele Erfolgserlebnisse. „Der Entwurf der Resonanzdämpfung zum Beispiel war sehr spannend“, erinnert sich Prof. Marco Liserre von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. „Dafür haben wir ein vollständig dynamisches Modell des Umrichters benutzt. Die Regelung hat gute Ergebnisse geliefert und den stabilen Betrieb des Umrichters in sehr schwachen Netzen ermöglicht, in denen Resonanzen und Instabilität zu gängigen Problemen gehören.“ Besonders überraschte das Forschungsteam, dass sich mit dem realisierten Add-On in einem Standardumrichter mehrere Oberschwingungsfrequenzen in der Netzspannung gleichzeitig filtern ließen. „Bei den bisherigen Prototypen, die zur aktiven Spannungsfilterung eingesetzt wurden, konnte immer nur eine harmonische Frequenz gefiltert werden“, sagt Liserre.
Partner zeigen sich mit Projektbilanz sehr zufrieden
Nachdem Funktion und Stabilität des Betriebs gründlich erprobt wurden, erfolgte der abschließende Feldversuch: Das neu entwickelte Add-On wurde unter Leitung des Unternehmens WSTech unter realen Bedingungen erfolgreich getestet. Die Forscherinnen und Forscher konnten zeigen, dass der Einsatz des Add-Ons besonders in kurzschlussstromschwachen Netzen, die weltweit sehr häufig anzutreffen sind, sinnvoll ist. „Das Add-on ist einfach und kostengünstig, es verbessert die Spannungsqualität und kann universell in vielen Anwendungen, etwa bei Windrädern, Batteriespeichern und Industrieumrichtern eingesetzt werden“, fasst Projektleiter Hans-Jürgen Hinrichs zusammen. Marco Liserre stimmt zu: „Wir sind sehr zufrieden mit den durchgeführten Arbeiten und den erreichten Projektergebnissen. Damit werden wir uns aber nicht zufriedengeben, weil Systemdienstleistungen heutzutage immer wichtiger werden. Es gibt zukünftig noch viel zu untersuchen, insbesondere in Sachen Netzstabilität und Oberschwingungen.“ (kkl)