Meeresenergie
Meeresströmung – eine Energiequelle für die Zukunft
Die Gezeitenströmung des Meeres ist eine unerschöpfliche Energiequelle, die bisher kaum genutzt wird. Dabei hat sie im Vergleich zu Sonnen- und Windenergie einen unschätzbaren Vorteil: Sie ist ein verlässlicher Energielieferant. Ebbe und Flut wechseln kontinuierlich und berechenbar. Unter bestimmten topographischen Gegebenheiten kann diese Meeresströmung genutzt werden, um Energie zu gewinnen. Das Forschungsvorhaben Tidal Power hatte sich zum Ziel gesetzt, eine halbgetauchte schwimmende Anlage sowie ein modulares Turbinensystem zu entwickeln. Die Turbinentechnik befindet sich bereits am Rande der Marktreife und wird aktuell weiter im Feld erprobt.
Projektkontext
Die Gezeiten oder auch Tiden sind die Wasserbewegungen der Ozeane. Diese entstehen infolge der Gravitation des Mondes. Je nach Stellung des Mondes zur Erde verändern sich die Strömungen und führen zu Ebbe und Flut und in Abhängigkeit von der Beschaffenheit der Küste zu einem Tidenhub von wenigen Metern bis zu 15 Metern in der Bretagne, Frankreich. Bislang wurden vereinzelt Kraftwerke gebaut, die diesen Tidenhub mit einer Staumauer und konventionellen Turbinen zur Stromerzeugung nutzen. Es finden sich jedoch weltweit nur wenige Meeresbuchten und Flussmündungen, an denen man einen ausreichenden Tidenhub vorfindet. Zudem sind mit dem Stauwerk meist gravierende Eingriffe in die Umwelt verbunden. Diese Kraftwerke leisten nur einen geringen Anteil an der Stromproduktion.
Entsprechend dem Prinzip bei Windenergieanlagen können frei umströmte Turbinen ausreichend starke Wasserströmungen zur Stromerzeugung nutzen. Ein Stauwerk ist nicht erforderlich. Aufgrund der höheren Dichte von Wasser ist bei gleicher Strömungsgeschwindigkeit die Leistung einer Wasserströmung rund 1.000-fach höher als die einer Luftströmung. Daher reichen die eher gemächlichen Gezeitenströmungen zur Stromerzeugung. Bisher ist dies jedoch Zukunftsmusik. Durch die hohen Investitionskosten wird noch kein kommerzielles Kraftwerk betrieben.
Forschungsfokus
Die Fachleute im Forschungsvorhaben Tidal Power – Entwicklung eines Plattformsystems zur kosteneffizienten Nutzung von Gezeitenströmungsenergie – arbeiten an einer innovativen Meeresenergieanlage. Ziel ist es, sowohl die Wartungs- als auch die Investitionskosten deutlich zu senken. Im Gegensatz zu den meisten Forschungsbestrebungen setzen die Tidal Power-Forscherteams nicht auf eine fest am Meeresboden verankerte Turbine im Megawattbereich, sondern auf eine schwimmende Plattform, der TRITON-Plattform. Diese wird am Meeresboden über ein Drehgelenk verankert und kann sich selbstständig nach der Gezeitenströmung ausrichten. Ein modulares Turbinensystem mit bis zu 40 kleinen Turbinen ist an der schwimmenden Struktur zwischen zwei vertikal aus dem Wasser ragenden Rümpfen befestigt. Die Turbinen sind jederzeit für Wartungsarbeiten zugänglich und können durch die Plattform an die Wasseroberfläche gebracht werden. Hierzu ist es notwendig, die Ballasttanks zu leeren. Neben der einfacheren Logistik bietet dieser Ansatz zudem ein besseres Leistungs- und Kosten-Verhältnis und eine Redundanz im Fehlerfall. Der Betrieb jeder einzelnen Turbine ist unabhängig voneinander möglich. Die zugehörige Leistungselektrik ist in den Schwimmkörpern untergebracht und ermöglicht somit einen einfachen Zugang für die Wartung.
Innovation
Neben dem Konstruktionsprinzip der Plattform ist vor allem die Systemintegration innovativ. Dabei werden 40 Turbinensysteme auf einer einzelnen Plattform integriert. Im Fokus der Forscherteams standen Fragen zur Belastung der TRITON-Plattform durch verschiedene Betriebszustände, die Betriebsführung, das Schwimmverhalten sowie der Installation und Verankerung. Die Fachleute glichen Simulationen und Modellversuche des Plattformsystems miteinander ab und ermöglichten eine verlässliche Vorhersage zum Verhalten einer Anlage in der geplanten großen Ausführung. Die Ergebnisse ermöglichen es Ihnen, das System der Trägerplattform detailliert zu planen.
Der Fokus der Arbeiten lag auf der Entwicklung des modularen Turbinensystems und auf einem einfachen sowie leichten Triebstrangdesigns, der Interaktion des Turbinengitters sowie dem Entwurf der Rotorblattgeometrie. Die unterschiedlichen Anforderungen an das Rotordesign berücksichtigen die Forscherteams mittels einer mehrdimensionalen Optimierung. Diese beachtete verschiedene Randbedingungen, wie zum Beispiel Rotoreffizienz, Belastung und Kavitationseinsatz. Die daraus resultierenden Ergebnisse validierten sie durch Modellversuche und Messungen an der großen Anlage im Feld.
Ergebnisse
Das Forscherteam entwickelte eine schwimmende Plattform und führte erfolgreiche Tests am Modell durch. Die Arbeiten umfassten die Detailkonstruktion, Berechnung, Betriebsführung sowie eine detaillierte Kostenaufstellung. Die sich damit ergebenden Gesamtkosten für eine einzelne Demonstrationsanlage liegen deutlich über den zu Projektbeginn abgeschätzten Kosten. Insbesondere bei der Befestigung der Anlage am Meeresboden, der Stahlstruktur sowie bei den logistischen Arbeiten, die der Installation vor Ort dienen, ergaben sich höhere Anforderungen. Das entwickelte Turbinensystem erprobten die Teams direkt in Feldversuchen in Schottland und konnten so die neuen Methoden beispielsweise bei der Modellversuchstechnik mit Messdaten aus dem Feld prüfen. Insgesamt erzielten die Projektpartner große Fortschritte bei der Regelung der Turbinen, des Rotors sowie der Weiterentwicklung des Triebstrangs. Die Ergebnisse unterstützen die angestrebte Kommerzialisierung des Turbinensystems.
Praxistransfer
Der Markt im Bereich der Gezeitenenergie hat sich im Laufe des Projekts verändert, so dass es erforderlich war, das Vorhaben an diese Entwicklungen anzupassen. Zu Beginn der Forschungsarbeiten standen vor allem Lösungen im Großkraftwerksbereich im Fokus, beispielsweise für einen durch Einspeisevergütungen subventionierten Markt in Kanada, UK und Frankreich. Momentan findet sich der potentielle Markt vor allem im Bereich von kleineren „Off-Grid“ Insellösungen, um Dieselgeneratoren zu ersetzen (beispielsweise für Inseln in Südostasien). Die Einspeisevergütung in Kanada besteht nach wie vor. Daher gehen die Fachleute davon aus, dass erste kommerzielle Demonstrationen der Turbinentechnologie in Kanada stattfinden. Der Ausbau wird – ähnlich den Anfängen bei der Windkraft – stufenweise erfolgen und damit verbunden reduzieren sich die Kosten für die Technologie.
Die Turbinentechnik steht am Rande der Marktreife und wird zurzeit weiter im Feld erprobt. Die im Rahmen des Projekts entwickelte Plattform ist in naher Zukunft nicht kommerziell nutzbar. Die Projektteams planen diese durch eine kleinere, auf der Oberfläche schwimmende Plattform zu ersetzen. Hier erfolgen zurzeit erste Feldtests. Ein erster kommerzieller Demonstrator mit 3 Plattformen und einer installierte Gesamtleistung von 1,26 MW planen die beteiligten Institutionen für 2020.