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Hier werden die drei Versuchsgebäude mit Hilfe einer Drohne geometrisch erfasst. © Hochschule RheinMain
Hier werden die drei Versuchsgebäude mit Hilfe einer Drohne geometrisch erfasst.

Fachwerksanierung: Mit neuer Technik Altes bewahren

31.10.2025 | Aktualisiert am: 31.10.2025

Die Bestandsgebäude in Deutschland müssen energieeffizienter werden – zwei Millionen davon sind Fachwerkbauten. Wie Bauherren diese energetisch sanieren können, ohne die bauliche Substanz zu gefährden, untersucht ein Forschungsteam in Hessen. Dabei helfen auch Daten, die im kommenden Winter erfasst werden.

Im Freilichtmuseum Hessenpark in Neu-Anspach untersuchen Expertinnen und Experten aus dem Vorhaben Fachwerk 2.0 die Wandsysteme und Aufbauten von drei Fachwerkhäusern. Hintergrund: Von 1984 bis 1993 waren die Gebäude bereits Forschungsobjekte. Damals forschten die Fachleute zum Thema Instandsetzung von Fachwerkgebäuden. Nachdem die zu dieser Zeit eingesetzten Baukonstruktionen, Materialien und Fugenlösungen über 30 Jahre der Witterung ausgesetzt waren, ist es jetzt für die Wissenschaft interessant, die Auswirkungen zu analysieren.

In einem zweiten zentralen Projektschritt wurden im 2022 gestarteten Projekt Fachwerk 2.0 die bestehenden Gefache rückgebaut. Dies sind die Felder zwischen den Holzbalken auf der Wand eines Fachwerkhauses. Üblicherweise sind sie mit Ziegelsteinen oder einer Lehmstakung ausgefüllt. Die rückgebauten Gefache ersetzten die Projektpartner durch insgesamt 28 neue Versuchsgefache mit unterschiedlichen Gefach- und Dämmmaterialien. Schwerpunkt des Wissenschaftsteams im Vorhaben Fachwerk 2.0 ist es hierbei, Möglichkeiten der energetischen Sanierung mit innovativen und ressourcenschonenden Dämmsystemen zu identifizieren und zu definieren.

Dazu untersuchen die Forschenden das hygrothermische Verhalten, sprich die Wechselwirkung zwischen Luftfeuchtigkeit und Temperatur, in der Fachwerk-Konstruktion. Des Weiteren führen die Expertinnen und Experten computergestützte numerische Simulationen durch. Wichtige Fragen dabei: Sind die eingesetzten Materialien für den langfristigen Einsatz in Fachwerken geeignet? Welches Schadenrisiko gibt es durch Feuchteanreicherungen? Mit den gesammelten Erkenntnissen werden die Forschenden dann die im Vorgängerprojekt festgelegten bauphysikalischen Grenzwerte auf den aktuellen Stand bringen.

Vor allem die Praxis kann davon profitieren: „Wir möchten unsere Erkenntnisse in die WTA-Merkblätter für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege einbringen. Diese werden von Expertinnen und Experten aus der Baubranche genutzt. Dort gibt es praktische Handlungsempfehlungen: Wie geht man mit dem Fachwerk um? Wie kann man es energetisch sanieren? Welche Anforderungen werden an die Untersuchungen gestellt?“, so Dr. Andrea Lilienthal von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Diese hat im September 2021 gemeinsam mit der Hochschule RheinMain in Wiesbaden und in Kooperation mit dem Freilichtmuseum Hessenpark das Forschungsprojekt gestartet.

Schwachpunkt „Gefache“ bei Innendämmung berücksichtigen

Fachwerkhäuser sind meist hübsch anzusehen und haben einen historischen Wert. Dies soll sich nach dem Wunsch der meisten Bauherren auch durch eine Sanierung nicht ändern. Anders als bei herkömmlichen Gebäuden wird deswegen oftmals eine Innendämmung ausgeführt. Das heißt, die Dämmmaterialien werden auf der Innenseite der Wände angebracht. Trotzdem muss dabei auch das Material der Außenwände berücksichtigt werden. Grund hierfür ist die Kombination aus Holztragwerk und Gefachen. Beschädigte oder nicht korrekt ausgeführte Ausfachungen können zu Feuchteeintritt oder Wärmeverlust führen, was sich wiederum auf die Gesamteffizienz des Gebäudes auswirkt. Im Fokus stehen insbesondere die empfindlichen Fugen zwischen Holztragwerk und Ausfachung – ein neuralgischer Punkt in jeder Fachwerk-Konstruktion, der für Feuchteschäden besonders anfällig ist.

„Es geht immer um die Kombination aus Gefachmaterial und Innendämmung. Deswegen haben wir auf den Giebelseiten der Versuchsgebäude zunächst unterschiedliche Gefachmaterialien eingesetzt und danach die Innendämmung aufgebracht. Um die Praxistauglichkeit zu bewahren, haben wir dabei eng mit Industriepartnern zusammengearbeitet. So sind etwa viele der eingesetzten Produkte am Markt erhältlich“, so Professor Christoph Duppel von der Hochschule RheinMain. Darüber hinaus kamen auch Dämmsysteme zum Einsatz, die namhafte Hersteller neu entwickelt haben und welche noch nicht in der Praxis etabliert sind.

Digitaler Zwilling hilft bei Fachwerksanierung

Um möglichst realistische Bedingungen zu schaffen, sorgen die Forschenden mit verschiedenen Aufbauten dafür, dass das Raumklima in den drei Gebäuden an ein Wohnklima heranreicht. „Jetzt gehen wir mit unseren Messungen erstmals in ein Winterhalbjahr, in dem die Gebäude klimatisiert sind. Diesen entscheidenden Zeitraum müssen wir auf jeden Fall noch mitnehmen, bevor wir eine finale Auswertung vornehmen können“, so Duppel. Für ihre Untersuchungen haben die Forschenden die kompletten Gebäude digital erfasst. Und dazu unter anderem die verschiedenen Schichten wie Gefache, Putz und Dämmung per Laser gescannt. Anhand der jetzt vorliegenden digitalen Gebäudezwillinge kann das Team bauphysikalische Simulationen durchführen. Das Vorhaben Fachwerk 2.0 läuft noch bis Ende August 2026. Dann werden die Ergebnisse der Langzeittests veröffentlicht. (bs)