wird geladen
Im Forschungsvorhaben MoBs II wurde ein mobiler Sorptionsspeicher entwickelt, der Abwärme aus der Müllverbrennungsanlage Hamm zu einem industriellen Abnehmer transportiert. © ZAE Bayern
Im Forschungsvorhaben MoBs II wurde ein mobiler Sorptionsspeicher entwickelt, der Abwärme aus der Müllverbrennungsanlage Hamm zu einem industriellen Abnehmer transportiert.

Thermische Wärmespeicher für die Industrie
„Entscheidend ist, dass die Speichertechnologie zur konkreten Anwendung passt.“

Dr. Andreas Hauer Mission Wärmewende 2045

29.10.25 | Aktualisiert am: 29.10.2025

Mit dem Einsatz von Großwärmepumpen und anderen Wärmeerzeugern steigt in der Industrie der Bedarf an thermischen Speichern. Doch die Anwendungen sind vielfältig und damit auch die Anforderungen an die Geräte. Welche Speichertypen derzeit im Gespräch sind, erläutert Dr. Andreas Hauer vom ZAE Bayern.

Herr Dr. Hauer, teilen Sie die Bitkom-Einschätzung, dass die heutige Abwärme von Rechenzentren in Deutschland bereits zum Heizen von 350.000 Wohnungen reichen würde?

Andreas Hauer: Das will ich nicht ausschließen. Rechenzentren sind eine große Abwärmequelle. Diese zu nutzen, um beispielsweise Gebäude und Quartiere zu heizen, ist sicherlich sinnvoll. Aber wir benötigen die Speicher nicht nur zum Zwischenlagern von Abwärme. In Zukunft wird immer mehr Energie aus Wind- und Sonnenenergie zur Verfügung stehen. Diese Energie liegt vor allem in Form von Strom vor und sie fällt fluktuierend an. Deshalb ist die Idee, die überschüssig produzierte Elektrizität zunächst in Wärme umzuwandeln und zu speichern, bis sie gebraucht wird.

Zur Person

Dr. Andreas Hauer © privat

Dr. Andreas Hauer ist Vorstandsvorsitzender des Bayerischen Zentrums für Angewandte Energieforschung, ZAE Bayern.

Wie müssen die Speicher für die Wärmespeicherung in der Industrie ausgelegt sein?

Der springende Punkt ist, dass wir den Parameter „Temperatur“ im Auge behalten müssen. Wir müssen den Strom in Wärme möglichst zu einer Temperatur umwandeln, die wir für industrielle Prozesse brauchen. Und dafür benötigen wir die passenden Speicher.

Welche Speichertypen sehen Sie für welches Einsatzgebiet?

Für viele Einsatzbereiche eignen sich sensible Speicher. Hierbei kommt ein Speichermedium zum Einsatz, das ich aufheize – beispielsweise Wasser bei den Dampfspeichern. Dampfspeicher werden schon häufig in der Industrie eingesetzt. Sie sind Stand der Technik. Das hängt damit zusammen, dass sehr viel Prozesse mit Dampf ablaufen. Vielleicht wird man diese Prozesse in der Industrie künftig auch anders lösen. Aber Dampf ist auch ein ideales Verteilmedium, beispielsweise in einem großen Chemie-Werk. Mit Dampf lässt sich Wärme gut transportieren.

Ein weiterer Speichertyp, der sich für bestimmte industrielle Prozesse eignet, ist der Latentwärmespeicher. Hier durchläuft das erwärmte Speichermedium bei einer bestimmten Temperatur einen Phasenwechsel. Eis wird beispielsweise zu Wasser oder Metall wird durch einen Schmelzprozess flüssig. Der Witz an der Sache ist, dass in dem Phasenübergang sehr viel Energie sitzt. Und der Phasenwechsel erfolgt bei der Schmelztemperatur ohne externe Regelung. Das macht das Material von sich aus.

Sind solche Latentwärmespeicher schon in der Anwendung?

In geringem Umfang, etwa in der Lebensmittel- oder Pharmabranche. Unser coCO2vac-Projektteam hat beispielsweise dazu beigetragen, dass Covid-Impfstoffe dank eines Latentwärmespeichers während der Coronapandemie transportiert werden konnten. Der Impfstoff muss immer bei mindestens minus 70 Grad Celsius gekühlt bleiben. Das kann durch eine externe Kühlung erfolgen. Diese ist allerdings sehr unpraktisch während des Transports. In coCO2vac haben wir an wiederverwendbaren und damit energiesparenden Kühlakkus gearbeitet, die eine Schmelztemperatur von minus 70 Grad Celsius aufweisen.

Das Forschungsprojekt coCO2vac hat dazu beigetragen, dass Covid-Impfstoffe dank eines Latentwärmespeichers während der Coronapandemie transportiert werden konnten. © va-Q-tec AG
Das Forschungsprojekt coCO2vac hat dazu beigetragen, dass Covid-Impfstoffe dank eines Latentwärmespeichers während der Coronapandemie transportiert werden konnten.

Welches ist der dritte thermische Speichertyp?

Das sind die sogenannten thermochemischen Speicher. Diese sind noch am stärksten in der Forschung verankert. Thermochemische Speicher funktionieren auf Basis reversibler Reaktionen, die thermische Energie ein- und freisetzen können.

Gibt es für den thermochemischen Speicher auch schon Praxisbeispiele?

Wenige, aber ein ganz konkretes aus unserer Forschung fällt mir ein: Es gibt seit 2011 Spülmaschinen auf dem Markt, bei denen solch ein Speicher in den Boden verbaut ist. Der Speicher besteht aus Zeolith-Pellets. Diese werden im Aufwärmmodus des Wassers miterhitzt, getrocknet und „energetisch geladen“. Beim Trocknungsvorgang der Spülmaschine saugen die Körner dann die Feuchtigkeit auf, wodurch die gespeicherte Wärme wieder freigesetzt wird. Am Ende der Trocknung ist alles Wasser wieder im Zeolith gebunden. Mit dem Speicher gelingt es, den Energieverbrauch des Spülvorgangs um 25 Prozent zu senken.

Warum gibt es bisher relativ wenige Wärmespeicher in der Industrie? Sind es die Kosten?

Ich würde tatsächlich sagen, die Kosten sind es nicht unbedingt. Da wir im industriellen Bereich in der Regel hohe Zyklenzahlen haben, können sich auch teurere Investitionen rentieren. Das Problem ist, dass wir sehr viel verschiedene Prozesse in der Industrie haben. Es gibt nicht die eine Lösung für alles wie beispielsweise im Gebäude- und Quartierbereich. Da sind die Lösungen, beispielsweise mit Wärmepumpen, ausgesprochen standardisiert.

Was heißt das für die Forschung?

Für die unterschiedlichen Wärmequellen und Prozesse im industriellen Umfeld benötige ich für jedes Unternehmen mehr oder weniger ein individuelles Konzept. Das bedeutet, dass wir sehr stark an Tools arbeiten müssen, damit wir den Unternehmen Lösungen für deren speziellen Wärmebedarf mit entsprechenden Speicheroptionen anbieten können. Ich sehe vor allem den Bedarf an ingenieurwissenschaftlichen Beratungsleistungen und an geeigneten Software-Lösungen steigen. Und last but not least: Um die thermischen Wärmespeicher in der Industrie in größeren Umfang zu etablieren, sind gute Referenzprojekte nötig.

Gibt es solche Referenzprojekte?

Beim ZAE haben wir beispielsweise im Forschungsprojekt MobS einen thermochemischen mobilen Speicher entwickelt. In diesem wurde die Abwärme von einer thermischen Abfallbehandlungsanlage vor Ort gespeichert und dann über acht Kilometer zu einem industriellen Trocknungsprozess gebracht. Das hat technisch gut funktioniert, war aber etwas zu teuer. Vor dem Hintergrund der deutlich gestiegenen Energiepreise müssen wir uns das jetzt nochmal genauer anschauen.

Wo sehen Sie aktuell den meisten Forschungsbedarf?

Thermochemische Speicher befinden sich noch im frühesten Entwicklungsstadium, während Latentwärmespeicher bereits weiter fortgeschritten sind. Am weitesten entwickelt sind die sensiblen Wärmespeicher. Hohe Temperaturen sind bei allen drei Speichertypen allerdings eine Herausforderung. Bei den Latentwärmespeichern wird viel im Bereich Materialforschung und Wärmeübertragung, insbesondere zu den Wärmeübertragergeometrien, geforscht.

Welche Forschungsfragen stehen bei thermochemischen Speichern im Fokus?

Bei den thermochemischen Speichern geht es um die Stoffpaare, die miteinander reagieren. Welche Paare eignen sich? Welche Reaktoren beziehungsweise Austauschflächen gibt es und wie muss ich diese designen? Abschließend noch der Hinweis, dass ich als Forschende oder Forschender immer die konkrete Anwendung im Kopf haben muss. Die Anwendung gibt mir Zyklenzahlen vor. Damit kann ich die Amortisationszeiten berechnen. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Ich kann nicht in den luftleeren Raum entwickeln.

Wie schätzen Sie die Mission Wärmewende als Förderinstrument ein?

Ich bin ein großer Fan des 8. Energieforschungsprogramms. Ich finde es gut, die zu lösenden Bereiche in den Mittelpunkt zu stellen und nicht die Technologie. Es geht darum, die Probleme zu lösen, und zwar mit Blick auf den Bedarf.

Das Interview führte Ilse Trautwein; Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.