Der Norden will seine Chancen für den Wasserstoffhochlauf nutzen
Wasserstoff Regionalkonferenz Nord
Der Norden will seine Chancen für den Wasserstoffhochlauf nutzen
Wie steht es um den Wasserstoffhochlauf in Deutschland? Was treibt die Wasserstoffwirtschaft voran und wie kann der Norden seine Standortvorteile nutzen? Darüber diskutierten Fachleute aus Industrie, Wissenschaft und Politik bei der Wasserstoff Regionalkonferenz Nord in Hamburg. Debatten über aktuelle Hindernisse trafen auf innovative Lösungsideen.
Grüner Wasserstoff spielt eine Schlüsselrolle auf dem Weg in eine klimaneutrale Energieversorgung. Er kann in verschiedenen Sektoren – von Industrie, über Verkehr bis hin zur Wärmeversorgung – eingesetzt werden und Strom aus erneuerbarer Energie in gas- und flüssiger Form speicherbar machen. Vor allem Norddeutschland hat die Möglichkeit, seine einzigartigen Standortvorteile für den Wasserstoffhochlauf zu nutzen: Hohe Erzeugungskapazitäten bei Windstrom, unterirdische Speichermöglichkeiten, Seehäfen als Logistik- und Wirtschaftszentren, Industriezweige mit langer Erfahrung und wissenschaftliche Expertise.
Im Rahmen der Regionalkonferenz Nord in Hamburg – veranstaltet durch die Deutsche Energie-Agentur (dena) und gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) – tauschten sich Expertinnen und Experten am 25. Juni darüber aus, wo der Wasserstoffhochlauf steht und welche Herausforderungen es zu bewältigen gilt. Das Dialogforum schuf eine Schnittstelle von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Workshops und Vorträge vertieften Themen wie Wasserstoffspeicherung, Elektrolyse, Offshore-Wasserstoff und Fördermechanismen für Wasserstoffimporte.
Fest steht: Von dem Ziel, fünf Elektrolyseleistung bis 2030, das die Norddeutsche Wasserstoffstrategie 2019 setzte, ist die Region noch weit entfernt. Anfang 2025 lag die installierte Elektrolyseleistung in , wie Konstantin Brosch, Projektleiter Reallabore der Energiewende von dena, berichtet. „Der Fokus liegt aktuell abnahmenah Abwesenheit von Infrastruktur des Wasserstoff-Kernnetzes. Dafür wird bis 2030 die Elektrolysekapazität in Norddeutschland viel stärker in den Fokus rücken.“ Dann sei das bundesweit geplante Kernnetz weiter ausgebaut und der Norden könne sich von der reinen Abnahme entfernen und die Wasserstoffproduktion steigern.
Wasserstoffwirtschaft aktuell mit schwerem Stand, aber es gibt Lichtblicke
„Wasserstoff hat momentan nicht den einfachsten Stand“, stellt Simon Pichlmaier, Projektleiter der Transferforschung Trans4Real und Leiter Wasserstoff und Synthetische Energieträger bei der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE), klar. Trans4Real begleitet die Reallabore der Energiewende des BMWE im Bereich Wasserstofftechnologien. Elektrolyseprojekte kämen nicht so voran, wie noch 2020, 2021 gedacht. Auch auf Abnehmerseite herrsche Verunsicherung – aufgrund der Preise und der Frage, woher der Wasserstoff kommen soll.
„Aber in meinen Augen – und das zeigt sich auch in der Transferforschung – ist das nur eine Seite der Medaille. Die andere ist: Wir sehen durchaus, dass etwas passiert“, sagt Pichlmaier. Zum Beispiel mit Blick auf Rahmenbedingungen, wie die Genehmigung des Kernnetzes, die dazu führten, dass Abnehmerverträge entstanden sind. „Oder funktionierende Instrumente wie die Treibhausgasquote, die es möglich machen, die Kostenlücke zwischen Produktion und Zahlungsbereitschaft bei den Abnehmern zu schließen.“ Der Forscher sieht darin eine klare Chance für den Norden. „Jetzt müssen wir schauen, wie wir es schaffen, diese guten Karten auszuspielen.“
Hoher Anteil erneuerbarer Strom kann Norddeutschland künftig zum Vorteil werden
Zwei der Projekte, die den Wasserstoffhochlauf mitvorantreiben, stellten sich in Hamburg vor. Das Norddeutsche Reallabor vereint über 50 Partner, die die Transformation der Industrie und des Energiesystems in Richtung Wasserstoff vorantreiben wollen. Das will der Verbund mit Elektrolyseuren mit einer Erzeugungskapazität von mehr als 20 Megawatt, Projekten zur Abwärmenutzung oder Forschung an Brennstoffzellen-Fahrzeugen und Wasserstoff-Tankstellen umsetzen. Mike Blicker, Projektkoordinator vom Competence Center für Erneuerbare Energien und EnergieEffizienz (CC4E) der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg betont, dass in Norddeutschland bereits seit 2018 mehr erneuerbarer Strom produziert als verbraucht werde. Das sei grundsätzlich ein Vorteil. „Aber im Moment können wir diesen Vorteil noch nicht richtig ausspielen, weil es keine Marktmechanismen gibt, die einen Mehrwert dafür schaffen, Elektrolyse mit Windstrom aus Schleswig-Holstein zu betreiben statt dafür Strom von einem Wasserkraftwerk in Bayern zu beziehen.“
Was im Norden jedoch bereits öfter und sinnvoller greife, sei die die Regelung „Nutzen statt Abregeln“ – eine Maßnahme im deutschen Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), die darauf abzielt, überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien zu nutzen, statt wie bisher aufgrund von Netzengpässen abzuregeln „Er hoffe und erwarte aber vor allem, dass stromerzeugungsnahe Elektrolysen stärker gefördert werden. Blicker stellt zudem klar, dass es neben Strom andere Energieformen wie Wärme und Kraftstoffe brauche. „Wir müssen natürlich weiter massiv erneuerbare Energien ausbauen und die Energieeffizienz steigern, aber wir müssen auch in die Sektorkopplung investieren. Und Wasserstoff ist eine Methode dafür.“

Kein Wasserstoffhochlauf ohne Speicher – Projekt H2Cast setzt auf Umrüstung bestehender Erdgasspeicher
Relevant für den Wasserstoffhochlauf ist auch das Thema Speicher. Sie können einerseits Schwankungen in der Produktion ausgleichen, andererseits ermöglichen Speicher eine Reserve für Bedarfsspitzen. Wichtig wird vor allem die saisonale Speicherung werden. Auch Transport und Nutzung über größere Entfernungen sind durch Speicherung möglich. Doch hier gilt es ebenfalls noch einige Hürden zu : Da Wasserstoff eine geringere Energiedichte als andere Energieträger hat, ist das benötigte Speichervolumen größer. Wasserstoff muss zudem unter hohem Druck oder in tiefkalten Temperaturen gespeichert werden, was gesteigerten Aufwand und hohe Kosten mit sich bringt.
Das Projekt H2Cast will die Machbarkeit der großvolumigen unterirdischen Speicherung von Wasserstoff demonstrieren und die Eignung von Salzkavernen nachweisen. Carsten Reekers, Leiter Kavernenbetrieb und Sonderprojekte bei der Storag Etzel GmbH, schilderte, dass Norddeutschland einen erhebliches Kavernenspeicherpotenzial mit biologisch sehr guten Voraussetzungen: „In 1.000 Metern Tiefe gibt es sehr gut geeignete Salzstöcke.“
Dieses Speicherpotenzial wird dringend benötigt: „Wir werden in den kommenden Jahren über 300 untertägige Wasserstoffspeicher benötigen, wenn der Wasserstoffhochlauf so fortgeführt wird, wie geplant“, sagt Reekers. Dafür will H2Cast bestehende Speicher umrüsten – das gehe schneller, sei wirtschaftlicher – und auch umweltfreundlicher. „Norddeutschland, insbesondere Niedersachsen ist Speicherland Nummer eins. 25 Prozent des jährlichen Erdgasverbrauchs Deutschland werde zurzeit in Gasspeichern gespeichert. Die Region habe also nicht nur den Vorteil der hohen Erzeugung erneuerbarer Energien aus Wind und Photovoltaik, sondern könne auf die vorhandene Gasinfrakstruktur inklusive des Transportnetzes zurückgreifen, so Reekers. „Die können wir natürlich umnutzen für Wasserstoff. Und auch die untertägigen Speicher können wir bis auf wenige Änderungen fast genauso nutzen. Die Infrastruktur ist praktisch vorhanden.“
Die Regionalkonferenz zeigt einmal mehr: Norddeutschland verfügt über herausragende Voraussetzungen für eine künftige Wasserstoffwirtschaft, steht aber noch vor großen . Der Hochlauf kann gelingen, wenn Politik, Wirtschaft und Forschung gemeinsam handeln. (uj)