© malp – stock.adobe.com
Normungsroadmap Wasserstofftechnologien veröffentlicht
„Standards schaffen Vertrauen, Effizienz und Sicherheit“
Dr. Lydia Vogt, DIN Mission Wasserstoff 2030
Damit Wasserstoff sicher und zuverlässig einsetzbar ist, sind technische Regeln und Standards notwendig. Im Forschungsprojekt Normungsroadmap Wasserstofftechnologien wurde in den vergangenen drei Jahren intensiv daran gearbeitet, diese Grundlagen zu schaffen. Im Interview erklärt Projektleiterin Dr. Lydia Vogt, welche Ergebnisse erzielt wurden und wie Normung die Energiewende beschleunigen kann.
Im Rahmen einer digitalen Abschlussveranstaltung (06. November 2025) haben die Beteiligten die finalen Ergebnisse der Normungsroadmap 2025 vorgestellt. Das Dokument bietet einen umfassenden Überblick über den Stand und die Entwicklung der Normung - von der Erzeugung über die Infrastruktur bis hin zur Anwendung. Die Normungsroadmap Wasserstofftechnologien kann hier heruntergeladen werden.
Frau Vogt, was ist das zentrale Ziel der Normungsroadmap Wasserstofftechnologien?
Lydia Vogt: Das Projekt hatte das Ziel, eine nationale Plattform zur Normung im Bereich Wasserstoff aufzubauen. Grundsätzlich sind die Themen Normung und technische Regelsetzung für Wasserstofftechnologien nichts Neues – es existieren etwa Standards für den industriellen Umgang mit Wasserstoff. Wasserstoff wird aber nicht nur als chemischer Rohstoff, sondern zunehmend als Energieträger der Zukunft und Baustein der Energiewende betrachtet – und damit kommen neue Akteure, Anwendungen und technische Anforderungen ins Spiel. Daher ist eine koordinierte Initiative, um den Überblick zu behalten:
Wo stehen wir bereits? Wo gibt es Lücken? Und welche Normungsprojekte sind besonders dringlich? Genau hier setzt die Normungsroadmap an – sie strukturiert, vernetzt und priorisiert die Arbeit im nationalen und internationalen Kontext, um notwendige Normungs- und Standardisierungsaktivitäten zu beschleunigen.
Normung klingt eher trocken. Warum ist sie für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft so entscheidend?
Wie wichtig das Thema für Wirtschaft und Industrie ist, fällt immer dann auf, wenn Normen und Standards fehlen. Dann entstehen Insellösungen, Schnittstellenprobleme und Unsicherheiten – das verlangsamt den Markthochlauf. Standards hingegen schaffen Vertrauen, Effizienz und Sicherheit. Normen schaffen Investitionssicherheit und senken Entwicklungskosten, weil sie einheitliche technische Grundlagen bieten. Hersteller wissen, woran sie sich orientieren können, Produkte sind kompatibel, und Sicherheitsvorgaben sind klar geregelt. Das beschleunigt Innovationen und Marktprozesse. Ein gutes Beispiel ist der USB-C-Stecker: Heute passt er überall – das ist die Stärke von einheitlichen Normen und Standards.
Übertragen auf Wasserstoff heißt das: klare Schnittstellen, weniger Aufwand, mehr Tempo. Durch Normen und Standards haben wir also das Grundgerüst dafür, dass Wasserstofftechnologien im großen Maßstab eingesetzt werden können.
Sie haben seit dem Projektstart mit mehr als 700 Fachleute an der Normungsroadmap Wasserstofftechnologien gearbeitet. Es gab 39 Arbeitsgruppen von Elektrolyse, über Transportleitungen und Anlagentechnik bis hin zu Produktzertifizierung und Cybersicherheit. Die Roadmap ist nun veröffentlicht. Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
Die Roadmap umfasst drei Bausteine. Erstens: Eine Bestandsaufnahme, also eine Online- Übersicht aller bestehenden Regelwerke. Zweitens eine Bedarfsanalyse und die Aussprache von mehr als 300 Handlungsempfehlungen, um die identifizierten Lücken zu schließen.
Der dritte Baustein sind die Umsetzungsprojekte. Damit sind konkrete Normungs- oder Standardisierungsarbeiten gemeint, die durch das Projekt finanziell gefördert werden. Insgesamt sind 69 Normungsprojekte und Projekte der technischen Regelsetzung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene initiiert worden. Dabei handelt es sich um Projekte entlang der gesamten Wasserstoffwertschöpfungskette sowie Querschnittsthemen wie Weiterbildung oder Sicherheit.
Können Sie ein Projektbeispiel nennen, wo bereits ein konkretes Ergebnis vorliegt?
Wenn wir uns den Bereich Wasserstofferzeugung anschauen, ist das die Erarbeitung der VDI-Richtlinie „Grundsätze für Planung, Ausführung und Abnahme von Wasserstofferzeugungsanlagen mittels Elektrolyse“ ein gutes Beispiel. Hier wird das Wissen aus Forschung und Praxis gebündelt, um eine praxisnahe Leitlinie zu schaffen – ein wichtiges Werkzeug für Planer und Betreiber neuer Anlagen.
Wasserstoff muss nicht nur erzeugt, sondern auch transportiert werden. Für die leitungsgebundene Infrastruktur existiert ein vollständiges technisches Regelwerk, das um Erfahrung aus der Praxis angereichert wird. So wurde im Rahmen des Projekts ein Normungsprojekt auf europäischer Ebene angestoßen, um das bestehende Regelwerk für Rohrleitung und Druckbehälter gezielt auf Wasserstoff zu erweitern. So werden aktiv die Inhalte für die zukünftige Wasserstoffindustrie gestaltet und die Mitarbeit einer breiten Vielzahl von Experten ermöglicht.
Ein anderes Beispiel zeigt eine erfolgreiche Kooperation auf internationaler Ebene. Die deutschen Partner konnte gemeinsam mit den japanischen Partnern die Leitung der Erarbeitung der ISO 19870-4 für flüssige organische Wasserstoffträger (LOHC) übernehmen, die eine standardisierte Treibhausgasbilanzierung entlang der Wasserstoff-Wertschöpfungskette ermöglicht. Diese erfolgreiche Zusammenarbeit ebnet den Weg für einen grenzüberschreitenden Handel.
Das Projekt endet im Dezember. Wie geht es weiter?
Die erarbeiteten Strukturen und Netzwerke sollen bestehen bleiben, und viele der begonnenen Umsetzungsprojekte laufen weiter – teils national, teils auf europäischer oder internationaler Ebene. Themen wie beispielsweise Untergrundspeicherung oder Wasserstoffderivate werden in den kommenden Jahren noch intensiver bearbeitet.
Das Interview führte Eva Mühle, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.