Biogasanlage der Energiemanufaktur Knill KG in Wangen. © PlanET Biogastechnik GmbH
Biogasanlage der Energiemanufaktur Knill KG in Wangen.

Bioenergie
Flexibler Strom aus Biogas

Mathias Stur Mission Stromwende 2045

01.01.2019 | Aktualisiert am: 20.11.2024

MATHIAS STUR IM INTERVIEW

Bioenergieanlagen besitzen den großen Vorteil, dass sie zeitlich und räumlich sehr flexibel Strom und Wärme liefern. Im Stromnetz der Zukunft ist diese Fähigkeit von großem Wert, da bei Solar- und Windenergieanlagen die Stromausbeute witterungsbedingt erheblich schwankt. Biogasanlagen sind flächendeckend dezentral verfügbar und die Funktionsweise der Anlagen bietet vielfältige Ansatzpunkte, Strom bedarfsweise einzuspeisen. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, erfordert es ein präzises Gasmanagement. Vor diesem Hintergrund zielte das Forschungsvorhaben „ManBio“ auf die technische Verbesserung von Systemen zur Gasspeicherung. Für die Forschungsarbeit erhielt Matthias Stur, Projektleiter am Deutschen Biomasseforschungszentrum, Leipzig (DBFZ), im Jahr 2017 den Biogas-Innovationspreis der Deutschen Landwirtschaft.

Herr Stur, Welche großen Vorteile verstecken sich in der Nutzung von Biogas zur Strom- und Wärmeerzeugung gegenüber anderen Erneuerbaren Energien?

Zum einen ist die biogasbasierte Bereitstellung von Gas, Strom und Wärme aus Biogasanlagen witterungsunabhängig, zum anderen können die Anlagen je nach gewählter Betriebsweise mit konstanter oder mit schwankender, bedarfsgerechter Energiebereitstellung zum Ausgleich fluktuierender Erneuerbarer Energien betrieben werden. Die Energiebereitstellung ist somit in gewissen Grenzen regelbar. Wenn man das Biogas zu Erdgasqualität aufbereitet und in das Erdgasnetz als Biomethan einspeist, kann man die Vorteile der großen und vergleichsweise kostengünstigen Speicherkapazitäten im Erdgasnetz erschließen. Im Gegensatz zum Stromnetz ist das Erdgasnetz der zusätzlichen Einspeisung von regenerativ und regional erzeugtem Biomethan bereits gewachsen und kann einen Beitrag zur Substitution von fossilen Energieträgern leisten. Bei der Verwendung von Biomethan kommt zu der zeitlichen Flexibilität bei der Gasverwertung noch eine weitere Komponente hinzu. Verbrauch und Erzeugung des Energieträgers sind voneinander räumlich entkoppelt. Der Ort der Verwertung ist frei wählbar – solange ein Zugang zum Gasnetz besteht. 

Welche Speichersysteme stehen für Biogas zur Verfügung?

Die Speicherung von Biogas am Anlagenstandort dient der kurzfristigen Kompensation von Schwankungen und einem resultierenden Ungleichgewicht von Gasproduktion und Gasverwertung. Die Speicher können normalerweise das produzierte Gas einiger Stunden aufnehmen, wenn die Gasverwertung einmal ausfällt. Für die Speicherung von Biogas werden verschiedene Systeme am Markt angeboten. Durch die Anforderung, die Nettogasspeicherkapazität im Verbundeinsatz mit mehreren Speichern vollständig auszunutzen, hat sich das in Deutschland weit verbreitete pneumatisch vorgespannte, integrierte zweischalige Membransystem - aufgrund der Funktionsweise - als vorteilhaft herausgehoben. Einschalige gasdruckgestützte oder mechanisch vorgespannte System oder zweischalige mechanisch vorgespannte Trockengasspeichersysteme im Niederdruckbereich weisen für den Verbundeinsatz vergleichsweise schlechtere Eigenschaften auf. Generell hat sich die integrierte Bauweise direkt auf dem Fermenter gegenüber der separierten Ausführung behauptet, wie beispielsweise Ballon- oder Membrankissengasspeicher. Grund hierfür ist: der geringere Raumbedarf und die Wirtschaftlichkeit. Bei der Speicherung von Biomethan kommen hingegen ausschließlich Trockengasspeichersysteme wie beispielsweise Druckgasflaschen im Kraftstoffsektor oder allgemein das Erdgasnetz zum Einsatz. Nassgasspeichersysteme wie Glocken- oder Teleskopgasspeicher haben sich in der Biogaspraxis kaum durchsetzen können.

Wichtig für die optimale Ausnutzung des erzeugten Biogases ist es, dass der Speicher nicht zu voll wird. Wie kann dies gewährleistet werden?

Bei zu hohem Füllstand können plötzlich auftretende Schwankungen in der  Gasverwertung sowie Gasproduktion und witterungsbedingte Temperaturschwankungen nicht mehr kompensiert werden und Biogas wird über die Sicherheitseinrichtungen abgelassen. Der Einsatz eines auf den Gasspeichertyp abgestimmten Füllstandmesssystems ermöglicht bei dem Betrieb eines Biogasspeichers, den Füllstand präzise zu messen. Die in der Praxis eingesetzten Verfahren sind allerdings nicht immer geeignet, den Füllstand genau abzubilden. So ist beispielsweise die Füllstandmessung eines pneumatisch vorgespannten zweischaligen Membrangasspeichers mit einem Gasdruckmessverfahren nicht möglich, wird in der Praxis aber durchaus angewendet. Neben der passenden Messtechnik ist ein wichtiger Aspekt, insbesondere zur Betätigung der Schaltpunkte, den korrekten Füllstand in die Betriebsführung des Konversionsaggregates (beispielsweise BHKW und Fackel) einzubinden. Eine sichergestellte Gasentnahme kann somit einen zu hohen Füllstand vermeiden. 

Wie können Speichersysteme optimal genutzt werden?

Neben der präzisen Füllstandmessung sind zum einen der Austausch des Gases zwischen den Speichern und zum anderen ein bestimmtes Druckverhältnis im Speichersystem wichtige Aspekte, um eine gleichmäßige Nutzung der gesamten Nettogasspeicherkapazitäten zu gewährleisten. Durch mehrere im Verbund betriebene pneumatisch vorgespannte zweischalige Gasspeicher, deren Innendrücke beispielsweise  durch regelbare Stützluftgebläse manipulierbar sind, kann ein optimales Druckverhältnis im System eingestellt werden. Diese Maßnahme ermöglicht es, die gesamte Nettogasspeicherkapazität des Verbundspeichersystems für eine folgende Biogasnutzung verfügbar zu machen. Zusätzlich bietet eine Prognose, die die Witterungsbedingungen und Biogasbedarf berücksichtigt, die Möglichkeit, dass das Betriebsregime frühzeitig Einfluss auf die Biogasbereitstellung nehmen kann. Somit ist eine für die jeweilige Anwendung angepasste Ausnutzung der Gasspeicherkapazität möglich. Dies kann unter Umständen dazu führen, zusätzliches Gasspeichervolumen zu vermeiden.

Welche zusätzlichen Kosten entstehen den Betreibern für das Gasmanagement?

Zum Teil kann der Betreiber ohne weitere Kosten bereits durch Änderungen in der bestehenden Betriebsführung das Gasmanagement verbessern. Ist dies nicht ausreichend, muss die notwendige Messtechnik für ein geeignetes Gasmanagement angeschafft und installiert werden. Kosten können dabei für die Beschaffung von Frequenzumrichter und Stützluftgebläse, Füllstandmesssysteme und deren Einbindung in das Prozessleitsystem, sowie diversen Anpassungen in der Rohrleitungsperipherie entstehen. Durch die Kombination von Maßnahmen mit geplanten Wartungsarbeiten am Gasspeichersystem lassen sich Kosten einsparen. Außerdem können die entstandenen Kosten durch die vermiedenen Gasverluste schnell kompensieren werden.

Nach aktuellen Zahlen des DBFZ erzeugten Biogasanlagen in 2017 Biogasmengen, mit denen etwa 100 Terrawattstunden (brennwertbezogen) Energie für nachfolgende Konversionspfade wie Strom-, Wärme- oder Kraftstofferzeugung, bereitgestellt werden können. Wie viel Gas entweicht bisher aus diesen Anlagen ungenutzt in die Atmosphäre und wie hoch könnte das zusätzliche Stromerzeugungspotenzial sein?

Zur Bewertung von Gasverlusten können nur einzelne Betrachtungen an einigen wenigen Anlagen herangezogen werden, eine umfassende Untersuchung des gesamten Sektors gibt es nicht. Es gibt Anlagen, die neben den unvermeidbaren Emissionen wie beispielsweise aus dem BHKW kaum zusätzliche Emissionen aufweisen (unter 0,5 Prozent der verwerteten Gasmenge), es gibt aber auch Anlagen die durch Überdruckereignisse oder Leckagen deutlich größere Mengen emittieren.

Das Projekt ManBio ist bereits beendet? Können Sie mir in wenigen Worten die wichtigsten Erkenntnisse schildern?

Die Berücksichtigung des Witterungseinflusses auf den Gasspeicher sowie daraus resultierende vermeidbare Biogasemissionen sind relevant für die Anlageneffizienz, Wirtschaftlichkeit und Treibhausgasbilanz der Biogasanlage. Die Forscherteams untersuchten das Anzeigeverhalten, die Eignung und Grenzen von in der Praxis verbreiteten Füllstandmessverfahren an einem pneumatisch vorgespannten integrierten zweischaligen Membrangasspeicher. Dabei wurden messtechnische Totzonen mit einem versetzten Detektionsbeginn im unteren Anzeigenbereich festgestellt. Die abgeleiteten Handlungsempfehlungen für den Betrieb, wie beispielsweise der empfohlene Betrieb des Gasfüllstandes unter circa 50 Prozent, sollen vor allem Emissionen reduzieren. Der Füllstand der Gasspeicher kann mit Unterstützung eines Modelles unter Einbindung der Biogasproduktion, Temperatur und Druck im Gasspeicher, Wetterbedingungen und Gasverwertung präzise prognostiziert und somit vorausschauend geregelt werden.

Entgegen der verbreiteten und nachweislich falschen Haltung von Anlagenbetreibern, dass ein voller Gasspeicher gut ist, hoffe ich, dass mit den Ergebnissen aus dem Vorhaben ManBio, die richtige und für alle Betroffenen geeignete Einstellung des halbgefüllten Speichers Einzug in den Anlagenbetrieb der Biogasanlagen findet.

Das Interview führte Micaela Münter, Wissenschaftsjournalistin beim FIZ Karlsruhe.