Mehr Frischluft, weniger Aerosole: Lüften ist ein wichtiger Bestandteil der Corona-Bekämpfung. Wie das auch effizienter möglich ist, untersucht das Projekt MinInfekt. ©SasinParaksa - stock.adobe.com
Mehr Frischluft, weniger Aerosole: Lüften ist ein wichtiger Bestandteil der Corona-Bekämpfung. Wie das auch effizienter möglich ist, untersucht das Projekt MinInfekt.

Klimafreundlich in Pandemiezeiten
Diese Lüftungskonzepte verringern Aerosole und sparen Energie

04.01.2022 | Aktualisiert am: 15.11.2024

Ein Forschungsteam untersucht im Projekt MinInfekt, wie eine höhere Raumlufthygiene in bestehenden Gebäuden möglichst energieeffizient erreicht werden kann. Erste Zwischenergebnisse geben Empfehlungen, um das Infektionsrisiko in Klassenräumen, Büros und Co. effektiv und praxisnah zu reduzieren.

Maske, Abstand, Tests: Die SARS-CoV-2-Pandemie hat viele Lebensbereiche verändert. Auch in der technischen Gebäudeausrüstung hat der Infektionsschutz neue Fragen aufgeworfen – vor allem beim Thema Lüftung. In den meisten Klassenräumen, Hörsälen oder Büros wird manuell durch das regelmäßige Öffnen der Fenster gelüftet. Dies reduziert die Aerosolkonzentration in den Innenräumen und somit das Ansteckungsrisiko. Doch wir Menschen lüften meist nach Gefühl, nicht nach Sensoren und Messdaten. So zeigt etwa eine aktuelle Studie der Hochschule München, dass in 52 untersuchten Schulen an rund 25 Prozent der Unterrichtstage nicht ausreichend gelüftet wurde.

Das intensivere Fensterlüften bringt außerdem die Wärmeversorgung des Gebäudes durcheinander. Heizungen laufen öfter und länger und verbrauchen daher deutlich mehr Energie. Hier hat ein Forschungsteam der Technischen Universität Berlin angesetzt und im März 2021 das Projekt MinInfekt (Notwendige Luftmengen zur Minderung des Infektionsrisikos über Aerosole effektiv und energieeffizient bereitstellen) gestartet. Die Forschenden stellen einen umfassenden Überblick über energieeffiziente Methoden zusammen, mit denen sich die Raumbelüftung erhöhen lässt. Erste Zwischenergebnisse zeigen Risikofaktoren sowie verschiedene Lösungsansätze.

In Büros und Klassenräumen ist das Risiko besonders hoch

Den Fokus legten die Forschenden zu Beginn des Projektes im April 2021 auch mit Blick auf das neue Schuljahr auf Klassenräume und Mehrpersonenbüros, da hier der Aufenthalt auffällig riskant ist – vor allem ohne Maske. Verschiedene Studien haben dies bereits belegt: So ist das Risiko einer Infektion dort so hoch wie im Supermarkt bei 80 Prozent Kunden-Belegung mit Maske.

Das Risiko kann jedoch reduziert werden. Versuche mit einem Umluftfiltergerät in einem beispielhaften Klassenraum zeigten, dass sich die Aerosolkonzentration bei einem Volumenstrom von 1000 Kubikmeter pro Stunde in einem Messzeitraum von 45 Minuten um rund 70 Prozent reduzierte, ohne dass zusätzlich manuell gelüftet wurde. In einer realen Unterrichtseinheit würde allerdings ohne zusätzliche Lüftungsmaßnahmen naturgemäß eine sehr hohe CO2-Konzentration erreicht. Damit ist ein mobiles Umluftfiltergerät deutlich weniger praktikabel.

Infektionsschutz und Energiekosten: Ein Rechenbeispiel im Klassenraum

Wie viel Energie regelmäßiges Lüften verbraucht, zeigt ein einfaches Rechenbeispiel. Als Basis dient ein Klassenzimmer mit 30 Personen, einer drei Meter hohen Decke und 60 Quadratmetern Raumfläche. Nach dem Leitfaden der Innenraumhygiene-Kommission des Umweltbundesamtes ist in Klassenräumen ein Zuluftvolumenstrom von 25 bis 30 Kubikmetern pro Stunde und Person nötig, um die Basis-Raumlufthygiene einzuhalten.

Daraus ergibt sich für den Beispielklassenraum, dass das Raumvolumen etwa viermal pro Stunde ausgetauscht werden muss. So kommen täglich bei sechs Stunden Schulbetrieb pro Klassenzimmer rund 16,1 Kilowattstunden zusammen, um dieses zu heizen. Bezogen auf alle Schulen in Berlin summiert sich diese Zahl pro Schultag auf rund 331.650 Kilowattstunden. Daraus ergibt sich ein CO2-Ausstoß von insgesamt 85,47 Tonnen allein in Berlin.

Die Forschenden sind zu dem Ergebnis gekommen, dass mobile Luftfilter bestenfalls andere, frischluftzuführende Lüftungssysteme unterstützen können, um den Schutz vor Infektionen zu erhöhen.

CO2-Sensoren liefern wertvolle Informationen

In privaten Wohnräumen, wo meist keine Maske getragen wird, ist regelmäßiges Lüften noch wichtiger. Das MinInfekt-Team sieht CO2-Sensoren auch für den privaten Gebrauch als wichtiges Hilfsmittel. Damit lässt sich genau ermitteln, wann spätestens gelüftet werden sollte. Unabhängig von der aktuellen Pandemiesituation gilt eine CO2-Konzentration bis 1000 Parts per Million (ppm) als hygienisch unbedenklich. In Schulen und Büros sollten diese Geräte unbedingt installiert werden, um regelmäßiges manuelles Lüften sicherzustellen oder bestehende Lüftungsanlagen zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Wird die CO2-Konzentration von unter 1000 ppm in einem Raum gewährleistet – indem virenfreie Zuluft hineingeleitet wird – reduziert sich das Risiko einer Infektion um den Faktor sieben. Zum Vergleich: Verbringt jemand nur die Hälfte der Zeit im Raum, verringert sich das Risiko um den Faktor zwei, trägt die Person eine FFP2-Maske um den Faktor fünf.

Kleine Modernisierung, großer Effekt

Bei bestehenden Lüftungssystemen kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass schon kleine Modernisierungen einen großen Effekt haben können. Um die Luftmenge in einer Anlage zu erhöhen – und damit die Virenlast im Raum zu senken – ist es grundlegend, neue, drehzahlgeregelte Motoren und Ventilatoren einzubauen. Diese erhöhen nicht nur im Pandemie-, sondern auch im Normalbetrieb die Energieeffizienz einer Anlage.

Neue, drehzahlgeregelte Motoren und Ventilatoren gelten im Rahmen der Bundesförderung für Corona-gerechte, stationäre raumlufttechnische Anlagen als förderfähige Begleitmaßnahme bei Um- oder Aufrüstungsmaßnahmen (Stand Dezember 2021). Weitere Fördermöglichkeiten bestehen über die Bundesförderung für effiziente Gebäude (Einzelmaßnahmen), die Bundesförderung für Energieeffizienz (Modul 1: Querschnittstechnologien).

Um Energie einzusparen, kann außerdem Technik zur Wärmerückgewinnung beitragen. Sogenannte Kreislaufverbundsysteme (KVS) gelten dabei als sicherste Variante in Bezug auf den Infektionsschutz, da Zu- und Abluft nicht vermischt werden. Leckagen in diesen Systemen sollten möglichst geringgehalten werden. Wo das nicht möglich ist oder das Lüftungssystem Zu- und Abluft ohne Filterung vermischt, empfehlen die Forschenden zudem, die Frischluftzufuhr zu erhöhen.

Infektionsschutz, Energieeffizienz, Kosten: Eine Frage der Balance

Im weiteren Verlauf des Projektes will das MinInfekt-Team typische technische Anlagen für verschiedene Raum- und Gebäudetypen identifizieren. Dabei wollen die Forschenden das Potenzial für Infektionsschutz und Energieeffizienz sowie mögliche Optimierungsmaßnahmen analysieren. Am Ende des Projektes sollen daraus entsprechende Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Ziel ist es, effiziente und kostengünstige Lösungen für Bestandssituationen herauszuarbeiten, um den normalen und erhöhten Lüftungsbedarf im Gebäude einschätzen und energetisch günstig decken zu können. (ks)