
Energieeffizienz in der Kältetechnik erhöhen
Feldversuch im Supermarkt: Wie Kälteanlagen sich smart integrieren
Milch in Kühlregalen, Eis in Tiefkühltruhen, neu gelieferte Waren in Kühlräumen: In Supermärkten entfallen etwa 50 Prozent des elektrischen Energieverbrauches auf die Kühlung von Lebensmitteln. Wie hier Energie und Geld eingespart werden können, untersuchen Forschende im Vorhaben GOKAS.
Ziel des Projektes GOKAS (Gesamtsystemoptimierung von Kältetechnischen Anlagesystemen für Energiewende und Klimaschutz) der Hochschule Biberach ist es, den Energieverbrauch von Kälte- und Klimaanlagen dauerhaft zu senken.
Dafür arbeitet die Forschungsgruppe des Instituts für Gebäude- und Energiesysteme mit Spezialistinnen und Spezialisten für Künstliche Intelligenz und Kältetechnik zusammen. Mehrere am Projekt beteiligte Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels dienen zudem als großflächige Testräume im laufenden Betrieb. So kann das Team Anlagen praxisnah untersuchen. Gemeinsam mit den Betreiberinnen und Betreibern können sie gezielt Optimierungsmaßnahmen unmittelbar in die Praxis umsetzen.
Vom Schubladendenken zum Gesamtsystem
Eine Besonderheit im Lebensmitteleinzelhandel ist, dass hier drei Zweige der Kältetechnik zusammenkommen: Gewerbe-, Industrie- und Klimakälte. Neben den gewerblichen Kälteanlagen in den Supermärkten werden Kälteanlagen für große Umschlag- und Kühllager (Industriekälte) sowie Verwaltungsgebäude (Klimakälte) betrieben.
Bisher lag in vielen Projekten der Fokus primär nur auf der Verbesserung von Einzelkomponenten und Einzelanlagen. Das GOKAS-Team dagegen versteht Kälteanlagen als Gesamtkonzept. Es optimiert die Anlagen als System und untersucht die Synergien zwischen gewerblichen, industriellen und klimakältetechnischen Anwendungen.
Die Projektgruppe analysiert hierzu insbesondere das optimierte Zusammenspiel aller Komponenten (z. B. Verdichter, Wärmeübertrager, Speicher) mit den dazu gehörigen Automationseinrichtungen (Sensoren, Aktoren, Steuer- und Regelgeräte) – und zwar von der Energiebereitstellung über die Energieverteilung bis hin zur Energienutzung. Nur wenn alle Komponenten möglichst optimal in ein Kälteanlagensystem eingebunden sind, tragen sie zu einer möglichst hohen Effizienz des Gesamtsystems bei.
„In der Praxis herrscht leider noch immer ein sehr starkes Schubladendenken und Denken in Einzelkomponenten. Das Zusammenspiel der einzelnen Elemente in einem abgestimmten Gesamtsystem wird häufig übersehen“, sagt Projektleiter Professor Dr. Martin Becker. „Der systemische Ansatz von GOKAS bietet daher die große Chance, innovative Ansätze und passende Impulse für die Kältebranche zu geben. Dies ist insbesondere hinsichtlich der aktuellen Herausforderungen Klimaschutz, Energiewende und Energieeffizienz und auch im Kontext der zunehmenden Digitalisierung wichtig.“
Künstliche Intelligenz hilft, Energie zu sparen
In einem weiteren Teil des Projekts widmet sich das Team einer zuverlässigeren Anlagenfunktion durch eine frühzeitigere Fehlererkennung und Diagnose. Eine lernende Software soll etwa schleichende Verschlechterungen (z. B. Verschmutzung von Wärmeübertragern) und energieineffizientere Betriebsweisen von Anlagen frühzeitiger erkennen. So kann sie schon im Vorfeld einen zielgerichteten Serviceeinsatz durch Warnmeldungen veranlassen, und nicht erst, wenn die Störung tatsächlich auftritt. Das verbessert die Energieeffizienz und vermeidet Anlagen- und Warenschäden.
Im Vorgängerprojekt EnBeKa II (Energieeffizienz und optimierte Betriebsführung von gewerblichen Kälteanlagen – Phase II) haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits erste Software-Bausteine prototypisch entwickelt. Die Ergebnisse des Projekts fließen nun in das Vorhaben GOKAS ein.
Weitere Ziele des Projektes sind, Kälteanlagen optimal in Gebäudeenergiesysteme (Smart Buildings) und auch in das intelligente Gesamtstromnetz (Smart Grids) zu integrieren. Gemeinsam mit ihren Projektpartnern nutzen sie dafür Simulationsmodelle, neue Methoden der Digitalisierung und höherwertige, modellbasierte Automatisierungsmethoden wie Model Predictive Control (Modellprädiktive Regelung, MPC). Um Verfahren wie MPC schnell und einfach in ihre Systeme einzubinden, werden den Unternehmen die im Projekt entwickelten Methoden in Form einer Funktionsbibliothek zum Test und zur Nutzung in der Kälteanlagenautomatisierung bereitgestellt. (kstr)