Erneuerbare Energie in Bestandsgebäuden
Mehr Wärmepumpen für Mehrfamilienhäuser
3,3 Millionen Mehrfamilien-Bestandsbauten gibt es in Deutschland. Nur etwa jedes Dreißigste davon wird laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft mit Wärmepumpen beheizt. Wie sich dies ändern kann, zeigen verschiedene Forschungsprojekte.
Bislang haben sich Wärmepumpen vor allem im Neubau durchgesetzt, wo sie mittlerweile einen Anteil von 57 Prozent bei den Heizungssystemen haben. In älteren Gebäuden erfolgt die Wärmeversorgung meist noch mit fossilen Energieträgern: Von den installierten 24 Millionen Wärmeerzeugern werden über 78 Prozent mit Gas, Öl oder Kohle betrieben.
Die Herausforderung liegt hier nicht nur bei der Wärmepumpentechnologie selber. Vielmehr ist es zum Teil anspruchsvoll, diese in bestehende, ältere Energieversorgungssysteme zu integrieren. Mit der Mission Wärmewende im 8. Energieforschungsprogramm möchte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz diese Hemmnisse abbauen.
Forschung und Entwicklung sollen dazu beitragen, Innovationen im Wärme- und Kältesektor in das System zu integrieren, zu standardisieren und in die breitere Anwendung zu bringen. Schon jetzt arbeiten Expertinnen und Experten in verschiedenen Projekten daran, diese Ziele zu erreichen.
LowEx-Bestand: Lösungen für sanierte Mehrfamiliengebäude
Wie werden bei der energetischen Modernisierung von Mehrfamiliengebäuden Wärmepumpen, Wärmeübergabesysteme und Lüftungssysteme am effizientesten eingesetzt? Dieser Frage widmete sich ein Wissenschaftsteam unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE) mit Herstellern von Heizungs- und Lüftungstechnik sowie Unternehmen der Wohnungswirtschaft im Vorhaben LowEx-Bestand.
Dabei konnten sie ein wesentliches Hemmnis für den Einsatz von Wärmepumpen im Mehrfamilienhaus-Bestand entkräften: Entgegen der weitverbreiteten Annahme, ist es häufig nicht so, dass alle Heizkörper in allen Wohnungen ausgetauscht oder eine Fußbodenheizung installiert werden muss, um eine akzeptable Effizienz der Wärmepumpe zu erreichen. Wurde die Gebäudehülle saniert, ist der Heizwärmebedarf der einzelnen Räume oft deutlich geringer als bei der Planung des Heizungssystems. Das heißt, die Heizkörper sind für den aktuellen Wärmebedarf bereits eher überdimensioniert. Eine raumweise Heizlastberechnung zeigt dann, welche Heizkörper ausgetauscht müssen, um die erforderliche Heizkreistemperatur zu erreichen.
Die Expertinnen und Experten konzentrierten sich bei ihren Untersuchungen auf so genannte LowEx-Systeme. Bei diesen ist die Temperaturdifferenz zwischen Heizmedium und Nutzwärme im Vergleich zu gängigen, meist fossilen Systemen gering. Dies sorgt für eine höhere Effizienz. Bindet man hier Wärmepumpen ein, können bis zu 50 Prozent CO2 im Vergleich zum Einsatz von Brennwertkesseln eingespart werden. Gemeinsam testeten die Partner ihre Entwicklungen in verschiedenen Demonstrationsprojekten – so etwa in einem Quartier in Karlsruhe-Durlach.
Karlsruhe-Durlach: Wärmeversorgung im Quartier gedacht
Obwohl das Bestands-Wohnquartier bereits 1995 energetisch saniert wurde, waren hier vor Start des Vorhabens Smartes Quartier Karlsruhe-Durlach noch erhebliche CO2-Einsparungen möglich. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Viertels heizten nach wie vor mit konventionellen Gas-Zentralheizungen. „Eine Versorgung mit Fernwärme war nicht möglich, da das Quartier nicht innerhalb des Fernwärmenetzes liegt“, erklärt der Projektleiter Manuel Rink von den Stadtwerken Karlsruhe.
Damit steht Karlsruhe-Durlach nicht allein da: Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft werden aktuell nur 15,2 Prozent (Stand: 2023) der Wohnungen in Deutschland mit Fernwärme beheizt. Neben dem Ausbau der klimafreundlichen Wärmeversorgung über Fernwärmenetze sind also weitere CO2-arme Lösungen gefragt. Eine Möglichkeit ist es, wie im Karlsruher Projekt, die Wärmeversorgung auf Quartiersebene zu planen – und dabei auf Wärmpumpen zu setzen. Damit dies energieeffizient funktioniert, müssen die verschiedenen technischen Anlagen, wie etwa Speicher, Energiequellen oder Einheiten für die Wärmeübergabe, miteinander vernetzt werden.
Wärmepumpen für dicht bebaute Gebiete
Die Partner in Karlsruhe haben unter anderem eine Wärmepumpe eingesetzt, die die Fachleute von Fraunhofer ISE mit dem Heizungshersteller Viessmann Climate Solutions im Vorhaben HEAVEN entwickelt haben. Das Innovative an dieser Anlage: Sie nutzt sowohl das Erdreich als auch die Außenluft als Wärmequelle. Die thermische Energie wird dem System dabei abwechselnd oder gleichzeitig über Sole-/Luftwärmetauscher und Erdsonden-Wärmetauscher zur Verfügung gestellt.
„Der Wärmeaustausch zwischen den Quellen bietet Vorteile: Im Sommer wird dadurch die Wärme der Außenluft im Erdreich gespeichert. Im Winter neigen Luftverdampfer zum Vereisen. Bei positiven Erdreichtemperaturen kann die erforderliche Energie zum Abtauen aus dem Sondenfeld genutzt werden“, erklärt Dirk Ludwig, Projektleiter Forschung und Entwicklung bei Viessmann Climate Solutions.
Diese Wärmepumpe ist vor allem für den Einsatz in dicht bebauten Gebieten interessant. Denn hier steht häufig nur wenig Außenfläche für Erdsonden zur Verfügung, die als Wärmequellen effizienter sind als Außenluft. Die Mehrquellen-Wärmepumpe macht deren Kombination möglich. Sie sorgt so für eine höhere Effizienz und eine leisere Betriebsweise im Vergleich zu einer reinen Außenluftquelle.
Die zweite Wärmepumpe nutzt photovoltaisch-thermische Kollektoren als alleinige Wärmequelle. Hier ist ein Solar-Luft-Kollektor auf der Rückseite der PV-Module integriert. Diese werden dadurch gekühlt und ihr elektrischer Wirkungsgrad erhöht sich.
40 Prozent CO2 eingespart
Durch die Maßnahmen im Vorhaben Smartes Quartier Karlsruhe-Durlach konnten im Vergleich zur Ausgangssituation 40 Prozent CO2 eingespart werden. Die innovativen Wärmepumpen lieferten gute Jahresarbeitszahlen und ließen sich in den Mehrfamilienhausbestand integrieren.
„Es hat sich aber gezeigt, dass die Wärmepumpen nur im Verbund mit den lokalen Stromerzeugern im Blockheizkraftwerk wirtschaftlich konkurrenzfähige Wärmegestehungskosten erreichen. Wie wir hier noch weiter optimieren können, untersuchen wir unter anderem in dem im Januar 2024 gestarteten Folgeprojekt“, so Projektleiter Rink. Im dem EnEff:Stadt: SQ-Durlach II genannten Vorhaben arbeiten die Expertinnen und Experten an den Standorten Stutensee (bei Karlsruhe) sowie Durlach nun daran, die Anlagentechnik und deren Vernetzung im Energiesystem zu optimieren sowie Standards zu entwickeln. Unter Leitung des Energieversorgers Karlsruher Energieservice entwickeln sie unter anderem digitale Methoden für die Planung, Umsetzung und den Betrieb von Wärmepumpen in Bestandsquartieren. (bs)