Anwender testen im Rahmen des Projekts SmartLoad den entwickelten Software-Prototyp. © Universität Bamberg und BEN Energy
Anwender testen im Rahmen des Projekts SmartLoad den entwickelten Software-Prototyp.

Projekt SmartLoad
Stromverbrauchsdaten von Privatkunden sinnvoll nutzen

27.05.2020 | Aktualisiert am: 15.11.2024

Strom sparen und Öko-Strom beziehen: Das sind Maßnahmen, die jeder Einzelne unternehmen kann, um die Energiewende voranzubringen. Wie Energieversorger solches Verbrauchsverhalten ihrer Kunden gezielt fördern können, hat das Forschungsteam des Verbundvorhabens SmartLoad jetzt herausgefunden. Dafür werteten die Fachleute Kundendaten aus und entwickelten eine Software, mithilfe derer Energieversorger ihren Kunden maßgeschneiderte Tarife und Dienstleistungen anbieten können. Die Federführung des Projekts hatte der Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik an der Otto-Friederich-Universität Bamberg inne.

Im ersten Teil des Projekts untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten, die von digitalen Stromzählern, sogenannten Smart Metern, in Privathaushalten in der Schweiz automatisch erhoben und von den Kunden zur Verfügung gestellt worden waren. Die Fachleute analysierten anhand der Informationen über den Stromverbrauch im Tagesverlauf zum Beispiel, zu welcher Uhrzeit besonders viele Geräte eingeschaltet sind oder wie sich der Stromverbrauch an den Werktagen im Vergleich zum Wochenende unterscheidet. So konnte für jeden Haushalt ein individuelles Verbrauchsprofil erstellt werden.

„Wenn mich mein Energieversorger über mein Verbrauchsverhalten informiert, hat das für mich als Kunden einen ganz praktischen Nutzen“, sagt Projektleiter Dr. Konstantin Hopf und erklärt: „Ich werde auf Stromfresser hingewiesen und kann mein Verhalten entsprechend ändern, indem ich zum Beispiel einen alten Kühlschrank austausche oder meine Stand-by-Geräte ausschalte. So spare ich Kosten.“

Forschende untersuchen Kundendaten und Kartenmaterial

Gruppenfoto des Forschungsteams © Universität Bamberg und BEN Energy
Das Projektteam um Leiter Dr. Konstantin Hopf (Dritter v.r.) während eines Workshops an der Universität Bamberg.

Im zweiten Teil des Projekts schauten sich die Expertinnen und Experten an, wie Kundendaten so ausgewertet werden können, dass der Energieversorger erfährt, welcher Kunde wahrscheinlich bereit wäre, ein ihm angebotenes passendes Produkt zu kaufen.

Im Fall von SmartLoad untersuchte das Forschungsteam, welche Haushalte bereit wären, von ihrem bisherigen Stromtarif zu einem neuen teureren lokalen Öko-Stromtarif zu wechseln.

Anhand der vorliegenden Anschrift leiteten die Fachleute aus dem freien Kartenmaterial von OpenStreetMap rund 40 Merkmale über die Haushalte ab. Ergänzend analysierten sie Daten des am Projekt beteiligten Schweizer Energieversorgers, wie Kundenanfragen oder Zahlungsinformationen. Alle diese Daten gaben dem Forschungsteam Aufschluss über das wahrscheinliche Kaufverhalten.

Datenanalyse ermöglicht, das Kaufverhalten vorherzusagen

Wie das genau funktioniert, erläutert Hopf: „Jemand, der in der Nähe eines Atomkraftwerks wohnt, bezieht vielleicht eher konventionellen Strom, um die an das Kraftwerk gekoppelten Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Jemand, der von seinem Energieversorger häufiger eine Mahnung erhalten hat, wird wahrscheinlich nicht auf einen teureren Tarif umsteigen, wenn er die Rechnung für den normalen Tarif schon nicht pünktlich begleichen kann.

Aufgeschlossen gegenüber einem teureren Bezug von Öko-Strom ist hingegen mutmaßlich jemand, der in einem Einfamilienhaus in gehobener Wohnlage lebt und sich auf der Website des Energieversorgers schon mal über die Vorteile der Selbstversorgung mittels Solaranlage auf dem eigenen Hausdach informiert hat.“

Welchen Nutzen es hat, Kundendaten auf diese Weise auszuwerten, erklärt Hopf so: „Dank solcher Vorhersagen, wie wir sie unternommen haben, können Energieversorger die Daten ihrer Kunden selbst auswerten und ihre Kunden gezielt kontaktieren, um ihnen ein bestimmtes Produkt anzubieten.“ Das spare unnötige Werbepost und erhöhe die Vertriebseffizienz der Unternehmen.

Projekt SmartLoad: Computerbildschirm mit Grafik © Universität Bamberg und BEN Energy
Der im Projekt SmartLoad entwickelte Software-Prototyp priorisiert Kaufanfragen für Photovoltaik- und Batteriespeicher-Anlagen.

Um den Wert der Kundendaten zu heben, wendete das Forschungsteam moderne Analyse-Methoden an, darunter Verfahren des sogenannten maschinellen Lernens.

Die Erkenntnisse liefern Energieanbietern wichtige Hinweise, etwa für welche Aufgaben des Vertriebs nachhaltiger Produkte maschinelle Lernverfahren eingesetzt werden können, welche Daten ganz genau die Kaufvorhersagen verbessern und wie die Ergebnisse der entwickelten Vorhersagemodelle so dargestellt werden können, dass Vertriebsmitarbeiter sie für ihre Arbeit nutzen können.

Forschungsergebnisse werden praktisch genutzt

Von den Projektergebnissen profitieren Industrie, Forschung und die Hochschullehre gleichermaßen. So wurde der entstandene Software-Prototyp in die Energiedatenanalyse-Plattform des Dienstleisters BEN Energy eingegliedert. BEN Energy, eine ausgegründete Firma der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, war ebenfalls am Projekt beteiligt. Damit steht die Software nun allen Energieanbietern zur Verfügung. Die umfangreichen anonymisierten Datensätze stehen darüber hinaus für die weitere Energieforschung bereit.

Damit das Potenzial von Datenanalysen in der Energiebranche gehoben werden kann, müssen nach Meinung von Projektleiter Dr. Konstantin Hopf zwei Voraussetzungen weiterentwickelt werden. „Wenn Unternehmen offener werden für neue Technologien, können sie viel ungenutztes Innovationspotenzial heben. Konkret heißt das, dass Energieversorger jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die vielleicht gerade erst von der Uni kommen, aber etwas von maschinellem Lernen verstehen, ermöglichen, diese Kenntnisse einzubringen.“

Darüber hinaus sieht Hopf noch ein weiteres Handlungsfeld. „Datenschutz sollte nicht in Konkurrenz zum Klimaschutz stehen“, sagt er und erklärt: „Wenn wir die Umwelt schützen und im Zuge dessen den Energieverbrauch senken wollen, müssen wir Effizienz-Ziele konkret festschreiben und den Bürgerinnen und Bürgern den Mehrwert der Datenanalyse besser vermitteln.“ (kkl)

Förderung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat das Projekt SmartLoad im Forschungsbereich Stromnetze innerhalb des Schwerpunkts „Intelligente Netzbetriebsführung“ gefördert. Den Rahmen dafür bildet das 6. Energieforschungsprogramm. Hier finden Sie weitere Informationen zur Forschungsförderung.