Windenergie
Groutschäden an Offshore-Windenergieanlagen rechtzeitig erkennen
Hohe Betriebslasten und extreme Umgebungsbedingungen setzen Offshore-Windenergieanlagen mächtig zu. Ein innovatives Monitoring-Konzept kombiniert globale Schwingungsmesstechnik und lokale Radartechnik. Damit sollen Schäden an Groutverbindungen frühzeitig erkannt werden.
Aus der Vogelperspektive betrachtet, ergeben die Turm-Bauteile von Offshore-Windenergieanlagen zusammen eine gigantische Steckverbindung. Ganz unten steckt der Fuß der Anlage im Meeresgrund. Über diesen wird ein Transition Piece gestülpt, eine Steckverbindung zum eigentlichen Turm. Verbunden wird die gesamte Rohr-in-Rohr-Konstruktion mit einem speziellen Vergussmörtel, der im Fachjargon „Grout“ genannt wird. Auch wenn sich dieser im Inneren der Konstruktion befindet, setzen ihm neben den hohen Betriebslasten auch Salzwasser, Luftfeuchtigkeit und Temperaturschwankungen zu. So können beispielsweise Risse im Mörtel entstehen, die die Stabilität der Anlage gefährden oder diese schlimmstenfalls absacken lassen.
Forschungsteam entwickelt spezielles Radarsystem mit neuartigen Antennen
Bisher wurde der Zustand des Grouts lediglich grob durch Abstandsmessungen zwischen dem Fuß der Anlage und dem Transition Piece erfasst. Wissenschaftler im Forschungsprojekt In-Situ-WIND gehen mit einem innovativen Messtechnikkonzept neue Wege: Sie kombinieren Schwingungs- und Radar-Sensoren zu einem in dieser Form neuartigen Structural-Health-Monitoring-System. Hiermit können kontinuierlich unterschiedlichste Daten zum Zustand des Grout erfasst und interpretiert werden. „Die mit den bisherigen Messsystemen festgestellten Änderungen im Schwingungsverhalten von Windenergieanlagen auf See sind nicht zwangsläufig auf Groutschäden zurückzuführen. Sie können auch von den variierenden Umgebungs- und Betriebsbedingungen herrühren“, erläutert Projektleiter Dr. Jochen Moll von der Universität Frankfurt.
Gemeinsam mit mehreren Partnern hat das Forschungsteam aus der Mainmetropole daher zusätzlich zur umfangreichen und von der Universität Siegen eingesetzten Schwingungssensorik ein spezielles Radarsystem mit neuartigen Antennen entwickelt, um in das Betonmaterial hineinschauen zu können. „Mit diesem Technikansatz haben wir ganz neue Möglichkeiten. Die Methodenkombination ermöglicht es, die Groutfuge dauerhaft zu überwachen. So generieren wir sowohl Daten zur Tragfähigkeit der Windenergieanlage als auch zum Zustand des Grouts – und das in dieser herausfordernden Umgebung auf See mit salzhaltiger Luft, hoher Luftfeuchtigkeit, Temperatur- und Druckschwankungen“, bringt es Jochen Moll auf den Punkt.
Messtechnik in einer Offshore-Windenergieanlage bei Helgoland
Nachdem die Radarkomponenten von der Firma IMST entwickelt und im Labor getestet worden waren, haben Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit - LBF und der Universität Siegen die gesamte Messtechnik im Innern einer Windenergieanlage im Windpark Meerwind Süd Ost, etwa 20 Kilometer nördlich von Helgoland, installiert. „Das war eine große Herausforderung“, erinnert sich Professor Peter Kraemer von der Universität Siegen. „Im Gründungsbereich steht das Wasser bis kurz unterhalb der Arbeitsplattform. Dadurch sind auch die Innenwände feucht, der Wasserstand und der Innendruck ändern sich durch Ebbe und Flut. Die Installation empfindlicher und hochwertiger Messtechnik ist damit in diesem Teil der Anlage extrem anspruchsvoll.“
Messergebnisse aus Sensor- und Radarsystem werden zusammengebracht
Seit knapp zwei Jahren laufen mittlerweile die Messungen – und generieren über die Zeit Terabyte an Daten. Die erste Auswertung erfolgt mittels spezieller Algorithmen, teilweise direkt auf See, bevor die Daten aufs Festland übertragen werden. Hier optimieren die beteiligten Wissenschaftler die Algorithmen permanent weiter. „Wir sind nun in der Phase, wo die Messtechnik-Spezialisten unseres Partners SWIFT die Sensor- und Radarsysteme integrieren, sodass wir die Ergebnisse aus der Radarauswertung und den Sensorsystemen bestmöglich zusammenzubringen können“, erläutert Jochen Moll. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen in den Abschlussbericht des Projekts ein, das noch bis November 2023 läuft. Dann im Bericht enthalten: eine Empfehlung, welches Technikpaket für Windparkbetreiber für die kontinuierliche Zustandsdiagnostik des Groutbereichs sinnvoll erscheint. (it)