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Gewässerthermie für die Wärmeversorgung
Wasser, Wärme, Wandel: FluSeeQ vereint Technik, Ökologie und Regulierung
Flüsse und Seen bergen ein großes, bislang kaum genutztes Potenzial für eine zukunftsfähige Wärmeversorgung. Um dieses sicher und effizient zu erschließen, müssen noch viele Fragen geklärt werden. Das Forschungsprojekt FluSeeQ bringt Technik, Ökologie und Regulierung zusammen. Es untersucht praxisnah, wie Gewässerwärme erschlossen, die Natur geschützt und Vorschriften eingehalten werden können.
Sie bieten auf den ersten Blick ideale Voraussetzungen als Wärmequelle: Gewässer sind in Deutschland reichlich vorhanden und können Energie liefern. Diese lässt sich zum Heizen oder für industrielle Prozesse nutzen – und das oft genau dort, wo Menschen wohnen oder arbeiten. Gleichzeitig sind die ökologischen und regulatorischen Rahmenbedingungen komplex.
Unternehmen interessieren sich zunehmend für Gewässerwärme, weil sie hilft, CO₂-Emissionen zu senken und so die Klimaziele zu erreichen. Diese Wärmequelle erfordert jedoch besondere ökologische Aufmerksamkeit. Bisher existieren nur wenige Pilotprojekte. Hier setzt FluSeeQ an: Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) geförderte Projekt hilft, offene Fragen zu klären, um Momentum für die Nutzung zu schaffen.
Gewässer im Geothermie-Kontext
Gewässerthermie ist eine Form der Umweltwärmenutzung – so wie Erdwärmesonden, Abwärme aus Industrieanlagen oder Luftwärmepumpen. Flüsse und Seen speichern das ganze Jahr über Wärme auf einem im Vergleich zur Luft deutlich weniger schwankenden Temperaturniveau. Luft oder oberflächennahe Böden schwanken dagegen stärker in der Temperatur. Für Wärmepumpen ist diese Konstante ein Vorteil: Je höher die Eingangstemperatur, desto effizienter arbeiten sie.
Flüsse und Seen liegen zudem oft in städtischen oder stadtnahen Gebieten. Tiefbohrungen, die klassische Form der Geothermie, sind hier teuer, technisch aufwendig und oft baulich eingeschränkt. „Gewässer liefern flexible, oberflächennahe Wärme und sind damit eine vielseitig nutzbare Quelle. Sie lassen sich gut an unterschiedliche Standorte und Systeme anpassen und ebenso problemlos in städtische Netze oder industrielle Anlagen integrieren. Gleichzeitig sind sie Lebensräume, deren Schutz berücksichtigt werden muss.
Den Weg bereiten: Interdisziplinär forschen für die Wärmeversorgung
„Wir müssen Machen, Messen und Multiplizieren“, sagt Simone Walker-Hertkorn, Projektleiterin beim koordinierenden Industriepartner tewag. Damit beschreibt sie den Kern von FluSeeQ, das auf praxisnahe Forschung, kontinuierliches Monitoring und die Umsetzung gewonnener Erkenntnisse setzt.
Industrie, Wissenschaft und Verwaltung müssen einen gemeinsamen Weg finden, um Verfahren zu entwickeln, die technisch funktionieren, rechtssicher sind und die Umwelt schonen. Nur auf dieser Basis lassen sich für verschiedene Gewässertypen konkrete Handlungsempfehlungen ableiten – ein Ansatz der Projektpartner, der bislang fehlte.
Ökologie im Blick: Gewässer als Lebensadern
Flüsse und Seen sind sensible Ökosysteme und eine hydrothermische Nutzung der Gewässer darf zu keiner Verschlechterung des ökologischen Zustandes führen. Die Temperatur ist eine wichtige Umweltvariable und beeinflusst den Sauerstoffgehalt und die Nährstoffverhältnisse sowie die Dynamiken von Pflanzen, Kleinorganismen, Fische und Mikroorganismen stark.
Durch Klimawandel, weniger Wasser im Flussbett, fehlende Uferbeschattung und historische Begradigungen steigen die Wassertemperaturen. Auch kleinere Temperaturänderungen können das Verhalten, die Reproduktion und den Stoffwechsel der Wasserorganismen beeinflussen. In den meisten Fällen ist eine Erhöhung der Temperatur kritischer als eine Senkung, da die Sauerstofflöslichkeit abnimmt und biogeochemische Stoffumsätze beschleunigt werden.
Daher ist die im Zuge der Klimaerwärmung stattfindende Erwärmung unserer Gewässer problematisch. Naturnahe Maßnahmen wie Uferaufforstung oder Wiederanlegen von Mäandern helfen zwar, die Temperaturspitzen abzufedern, kompensieren diese aber nicht vollständig. Eine hydrothermische Nutzung führt zu einer Abkühlung und wirkt somit der klimatisch bedingten Erwärmung entgegen. Trotzdem können Temperaturabsenkungen unter besonderen Umständen negative Einflüsse verursachen, z. B. bezüglich des Reproduktionsverhaltens oder der Nahrungssuche. Insgesamt reagieren aquatische Ökosysteme empfindlich auf Veränderungen im Temperaturregime.
Vor diesem Hintergrund muss jede Nutzung von Gewässerwärme sorgfältig abgewogen werden. Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) untersucht, wie sich die Wärmenutzung auf die Ökosysteme, insbesondere deren Temperaturregime (zeitlich und auch räumlich) auswirkt. Zugleich entwickelt es Methoden, um Belastungen für die Gewässer frühzeitig zu erkennen und zu verringern. Auf dieser Basis sollen künftig standardisierte Verfahren und ökologisch begründbare Kenngrößen abgeleitet werden, die Behörden und Planern bei der Dimensionierung und Umsetzung der Wärmenutzung Sicherheit geben, ohne den Schutz der Gewässer zu gefährden.
Bezüglich der Auswirkungen auf die Gewässer sind aber auch stoffliche Risiken mit einzubeziehen hinsichtlich des verwendeten Kühlmittels und anderer Substanzen. Der im Projekt entwickelte Demonstrator arbeitet mit einem ölfreien Verdichter und Wasser als Kältemittel. Diese besonders sichere, umweltfreundliche Lösung lässt sich an verschiedene Gewässer anpassen. Industriepartner wie Uhrig und COMBITHERM bringen ihre praktische Erfahrung in das Projekt ein. Damit wollen die Projektpartner von FluSeeQ die Grundlage legen, für eine neue Generation großer Wärmepumpen, die intrinsisch umweltverträglich sind und sich in bestehende wasserbauliche Infrastrukturen integrieren lassen.
Wärmenutzung im Einklang mit Recht und Natur
Ein kleiner Teich auf einem Golfplatz kann andere Eingriffe verkraften als ein großer See. Hierbei greifen verschiedene Schutzvorgaben sowie Landes- und EU-Regelungen. Diese regionalen Unterschiede erschweren es, Vorhaben zur Gewässerwärmenutzung zu planen und umzusetzen.
FluSeeQ unterstützt die Umsetzung der rechtlichen Leitlinien mit Merkblättern, Empfehlungen und praxisnahen Hinweisen. Partner wie die DWA bringen dabei ihr Wissen zu Wasserwirtschaft und Vorschriften ein. Auch die AGFW steuert ihr Know-how zu Wärme- und Kältesystemen bei und unterstützt die Verbindung von Technik und Normenpraxis. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE untersucht, wie Technik, Ökologie und Ökonomie in der Nutzung von Oberflächengewässern zur Wärmegewinnung zusammenwirken und welche rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten sind. Letztendlich sollen praxisnahe Leitfäden für die sichere und umweltfreundliche Nutzung entstehen.
Gewässer als Baustein einer zukunftsfähigen Wärmeversorgung
Neben FluSeeQ arbeiten auch weitere Initiativen daran, die Wärme aus Flüssen und Seen in urbane Energiesysteme einzubinden. Das EU-geförderte Projekt AquaCOM unterstützt Energie-Communities in Nordwesteuropa dabei, Wärme aus Flüssen und Seen für lokale Netze zu nutzen. Es entwickelt dafür praxisnahe Konzepte, Schulungen und Pilotprojekte in Frankreich, Belgien und den Niederlanden.
WaterWarmth unterstützt Projekte in sechs europäischen Ländern, Wärme und Kälte aus Flüssen und Seen zu nutzen. So wird die Energieversorgung nachhaltiger und die Vorteile der Energiewende kommen direkt den Bürgerinnen und Bürgern zugute.
Auf nationaler Ebene erprobt das Reallabor „GWP“ die Gewinnung von Wärme aus Fließgewässern für Wohn- und Gewerbegebiete. Im Fokus stehen praxisnahe Standards, die technische Umsetzbarkeit und Umweltverträglichkeit verbinden. An Kraftwerksstandorten in Berlin, Stuttgart, Mannheim und Rosenheim werden die Großwärmepumpen im Realbetrieb getestet. Ergänzend untersucht das Projekt FernWP, wie Gewässerwärme über Fernwärmenetze genutzt werden kann, um Kohlekraftwerke zu ersetzen.
Gewässerwärme steckt noch in den Kinderschuhen – doch das Potenzial ist groß. Neue Anlagen schaffen lokal Arbeitsplätze. Standardisierte Verfahren erleichtern die Planung. Lokale Eingriffe können helfen, zu hohe Wassertemperaturen auszugleichen – immer kombiniert mit naturnahen Maßnahmen wie Uferaufforstung oder Renaturierung.
Vor diesem Hintergrund nimmt FluSeeQ bewusst eine Vorreiterrolle ein. Die Projektpartner wollen technische Planung, Umweltanalysen und die Berücksichtigung von Vorschriften in einem gemeinsamen Verfahren zusammenbringen. Ihr Ziel ist eine Blaupause für die sichere und effiziente Nutzung der Wärme in Gewässern, die als Säule zum Umbau der Wärmeversorgung in Deutschland und Europa beiträgt. (sk)