
CO2 aus der Luft wird zu Kohlenstoff:
Beim KIT startet eine weltweit einzigartige Versuchsanlage
Kohlendioxid (CO2) vermeiden hat oberste Priorität, um den Klimawandel aufzuhalten. Eine weitere Option sind hocheffiziente Filter, die das schädliche Treibhausgas aus der Luft saugen. Die NECOC-Anlage am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) kann mehr. Hier wird das CO2 direkt zu Kohlenstoff weiterverarbeitet.
Kohlenstoffpulver gilt als „schwarzes Gold“: Es ist in Elektrodenfolien in Batterien, in Farben, Lacken oder Kunststoffen enthalten. Bislang wird es vor allem aus fossilen Rohstoffen produziert. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wird nun ein klimafreundlicherer Herstellungsprozess verfolgt. Als Ausgangsstoff dient unter anderem aus der Luft gefiltertes CO2. Dadurch entstehen sogenannte Negativemissionen. Gut für die Umwelt: Das schädliche Treibhausgas in der Atmosphäre wird insgesamt reduziert.
Einzelne Verfahrensschritte erstmals im Verbundbetrieb
Die notwendigen Verfahrensschritte werden in der weltweit einmaligen Versuchsanlage am KIT erstmals zusammengeführt: das Direct-Air-Verfahren, mit dem CO2 aus der Umgebungsluft abgetrennt wird, eine regenerativ betriebene Elektrolyse zur Produktion von Wasserstoff sowie die anschließende Methanisierung, bei der der Wasserstoff mit dem Kohlendioxid zu Methan weiterverarbeitet wird. Im letzten Prozessschritt wird das Methan mit Hilfe einer flüssigmetallbasierten Pyrolyse dann in Wasserstoff und den Kohlenstoff zerlegt.
Seit Ende 2019 arbeitet der Forschungsverbund aus KIT und den Industrieunternehmen Climeworks Deutschland und INERATEC bereits an dem Verfahren. Bisher haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die einzelnen Prozessschritte an ihren unterschiedlichen Standorten analysiert und optimiert.
Alle drei Verbundpartner bringen wichtige Expertise mit: Der Industriepartner Climeworks betreibt in Island bereits die weltweit größte kommerzielle Direct Air Capture & Storage-Anlage namens Orca . Das Karlsruher Unternehmen INERATEC — ein Spin-off aus dem KIT — bringt den Methanisierungsreaktor (Power-to-Gas) ein. Und das KIT selbst hat sich auf die Methanpyrolyse fokussiert, die in einem speziellen Flüssigmetall-Blasensäulenreaktor abläuft. Nun wurden am KIT alle Verfahrensschritte in einer Anlage zusammengeführt.
Qualität des Kohlenstoffpulvers bestimmt den industriellen Einsatz
Benjamin Dietrich vom Institut für Thermische Verfahrenstechnik am KIT und Koordinator des NECOC-Forschungsprojekts blickt gespannt auf die nächsten Monate: „Unser Team interessiert nun, wie effizient die Gase in den einzelnen Prozessschritten im Gesamtprozess umgewandelt werden. Das haben wir im Vorfeld zwar abgeschätzt. Da es aber bisher keine belastbaren Informationen darüber gibt, wie sich beispielsweise Nebenprodukte wie Feinstaub oder Stickoxide aus der Luft im Gesamtprozess verhalten, bleibt es spannend, welche Qualität an Kohlenstoffpulver wir tatsächlich produzieren werden.“ (Nähere dazu im Interview mit NECOC-Projektleiter Dr.-Ing. Benjamin Dietrich).

Das schwarze Kohlenstoffpulver wird bisher vor allem aus fossilen Rohstoffen wie zum Beispiel Erdöl gewonnen. Das NECOC-Produktionsverfahren wirkt sich also gleich zweifach positiv auf die Umwelt aus: Es entnimmt CO2 aus der Umgebungsluft und reduziert zusätzlich den CO2-Ausstoff durch eine fossilfreie und damit nachhaltige Herstellweise des Kohlenstoffpulvers.
Im Karlsruher Versuchsbetrieb werden indes nur geringe Mengen produziert. Sollte das Verfahren reibungslos laufen und das Wissenschaftsteam zu positiven Ergebnissen mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit des Prozesses kommen, soll die Produktion hochskaliert werden. (it)