Informationen zur Forschungsmission Wärmewende 2045 des Energieforschungsprogramms des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ©FrankBoston – stock.adobe.com

Mission Wärmewende 2045

„Wir beschleunigen den Wandel zur klimaneutralen und effizienten Wärme- und Kälteversorgung.“

Über die Hälfte des Endenergieverbrauchs in Deutschland entsteht durch die Erzeugung von Wärme und Kälte. Nur bei einem geringen Teil erfolgt dies bislang klimaneutral. Während die Energiewende im Stromsektor vorankommt, sind die Fortschritte im Wärmesektor noch zu langsam. Dabei umfasst dieser alle relevanten Nutzungsbereiche und Infrastrukturen des Energiesystems. Forschung muss hier wichtige Weichen stellen: Fossile Energieträger sind durch erneuerbare Energien und das Nutzen von Abwärme zu ersetzen, Wärme- und Kältebedarfe durch Effizienzmaßnahmen abzusenken, Strom- und Wärmeinfrastrukturen zu koppeln und optimal einzusetzen.

Im Wärme- und Kältesektor sind zwar viele technische Lösungen bereits verfügbar, doch sind diese noch nicht für alle Bedarfe angepasst. Hier sind Forschung und Entwicklung notwendig, damit darauf weitere dringend benötigte Technologien entstehen sowie neuartige, noch nicht am Markt etablierte Technologien für den flächendeckenden Einsatz vorbereitet werden. Die Innovationen müssen in das System integriert und standardisiert werden sowie in die breitere Anwendung übergehen. Dabei sind sozioökonomische Wechselwirkungen und regionale Besonderheiten zu berücksichtigen.

In der Wärmwende spielen biogenen Rest- und Abfallstoffen eine besondere Rolle. Die Prioritäten der Biomassenutzung, die in der Biomassestrategie der Bundesregierung festgelegt werden, sind auch für die Technologieförderung im Rahmen der Energieforschung maßgeblich und leitend.

Um Gebäude bis 2045 klimaneutral zu heizen und zu kühlen, müssen erneuerbare Energien nachhaltig eingesetzt und Effizienzmaßnahmen durchgeführt werden. Wärme und Kälte werden künftig durch klimaneutrale Technologien und deren Kopplung bereitgestellt. Die Herausforderung dabei: Sowohl dicht besiedelte Gebiete als auch den ländlichen Raum bestmöglich zu versorgen. Zielgruppengerechte, nutzerfreundliche und komfortorientierte Entwicklungen sorgen hier für Akzeptanz bei der Bevölkerung.

1.1 Innovative Lösungen hochskalieren

Für zukünftige Wärme- und Kältetechnologien sollen standardisierte ganzheitliche Lösungen entwickelt werden. Die Energieforschung entwickelt neue Verfahren für die industrielle Vorproduktion von Sanierungskomponenten und Technikmodulen. Deren Produktion soll hochskaliert und automatisiert werden können.

1.2 Komplexität für Planende, Handwerk und Nutzende reduzieren

Die Bauplanung, Auslegung, Installation, Wartung und der Betrieb neuer Anlagen und Komponenten sollen vereinfacht werden. Hierbei unterstützen digitale Workflows im gesamten Lebenszyklus. Für den Gebäudebestand sollen Fachleute Methoden entwickeln, die die Gebäudestrukturen automatisiert erfassen, den Heiz- und Dämmbedarf abschätzen und Sanierungsmaßnahmen bewerten. Hierfür müssen Schnittstellen standardisiert und die Systeme benutzerfreundlicher werden.

1.3 Energieeffizienz von der Komponente bis zum Gesamtsystem erhöhen

Wärmeverluste in Gebäuden und Wärmenetzen sollen minimiert werden, etwa durch neue Komponenten, Materialien und Dämmstoffe. Das systemische Zusammenwirken der Einzelkomponenten muss geplant und erprobt werden. Die digitale Vernetzung spielt hier eine wichtige Rolle. Bei zukünftig breit genutzten Technologien, wie der Wärmepumpe, soll die Energieeffizienz gesteigert aber auch die Qualitätssicherung ermöglicht werden.

1.4. Ressourcen nachhaltig einsetzen

Zukünftig gilt es, Ansätze und Tools zur Ökobilanzierungs- und Lebenszykluskostenrechnung weiterzuentwickeln und zu etablieren. Die Klimabilanz und Recyclingfähigkeit neuer Materialien, Bauteile und Gebäudeteile muss verbessert werden. Neben der Substituierung von Materialien soll die Lebensdauer der Komponenten erhöht werden. Datenbasierte Ansätze erleichtern Entscheidungen, wie etwa im Bereich Neubau oder Sanierung.

1.5. Akzeptanz und Partizipation verbessern

Unterschiedliche Wärmeerzeuger und die hohe Anzahl der Wärmeabnehmer stellen im Gebäudebereich eine besondere Herausforderung dar. Neben technischen Lösungen müssen die verschiedenen Perspektiven, etwa von Eigentümern, Mietern, Investoren und Kommunen, berücksichtigt werden. Dies beinhaltet etwa soziale und ökonomische Fragen.

Die Prozesse in Industrie und Gewerbe laufen auf unterschiedlichen Temperaturniveaus ab. Dies müssen Fachleute bei der Defossilisierung der Wärme- und Kälteversorgung berücksichtigen. Den Wärmebedarf zu verringern, steht dabei an erster Stelle. Die Wärmebereitstellung muss auf treibhausgasneutrale Quellen umgestellt werden. Verbleibende Wärmebedarfe werden durch synthetische Brennstoffe klimaneutral. Weitere Optionen sind die nachhaltige Nutzung biogener Rest- und Abfallstoffe sowie, in niedrigen bis mittleren Temperaturbereichen, der Einsatz von Solarthermie, Geothermie und Wärmespeichern.

2.1 Mittel- und Hochtemperaturprozesse defossilisieren

Neben direktelektrischer Wärmeerzeugung sollen auch Verfahren zur Nutzung biogener und synthetischer Brennstoffe (Wasserstoff oder Derivate) sowie konzentrierender Solarthermie bis zur Einsatzreife weiterentwickelt werden. Dabei sind Rückwirkungen auf Prozessführung, Produkte und Anlagentechnik zu berücksichtigen. Die Optimierung der Prozessführung soll den Gesamtenergiebedarf absenken.

2.2 Industrie- und Großwärmepumpen für den Hochlauf vorbereiten

Industrie-Wärmepumpen sollen zukünftig in der Breite Prozesswärme auf niedrigem Temperaturniveau bereitstellen. Fachleute erweitern dazu Leistungsklassen und Temperaturhübe und verbessern die Effizienz und Nachhaltigkeit. Der Betrieb mit klima- und umweltfreundlichen Kältemitteln ist obligatorisch. Die Expertinnen und Experten stellen allgemeine Auslegungs- und Betriebskonzepte bereit. Sie entwickeln kostengünstige Fertigungsverfahren und verbessern Prüf- und Wartungsmethoden.

2.3 Hochtemperatur-Wärmepumpen weiterentwickeln

Hochtemperatur-Wärmepumpen sollen zukünftig vermehrt Prozesswärme im mittleren Temperaturbereich (ab 200°C) bereitstellen. Dazu müssen die nutzbaren Temperaturbereiche ausgeweitet, variable Temperaturhübe realisiert, die Leistungsklassen vergrößert sowie klima- und umweltfreundliche Kältemittel eingesetzt werden. In Demonstrationsprojekten wenden Fachleute diese Technologie an und entwickeln sie weiter.

2.4 Effizienz bei thermischen Prozessen und Komponenten steigern

Expertinnen und Experten sollen die Prozessregelung optimieren sowie die Kombination mehrerer Wärmeerzeuger weiterentwickeln. Wärme- und Kältespeicherung spielen hier eine wichtige Rolle. Produktentwicklungen und neue Prozesse tragen dazu bei, Energie einzusparen. Bei thermischen und thermochemischen Speichern sollen Kosten gesenkt, Wirkungsgrade gesteigert sowie Lade-/Entladevorgänge optimiert werden. Das Spektrum an Speichertemperaturen soll erhöht werden.

2.5. Resilienz und systemdienlichen Betrieb von Industrieprozessen steigern

Vernetzte Industrieprozesse digital zu steuern ist eine wichtige Aufgabe. Stabile Prozesse und ein zuverlässiger Energieertrag stehen bei allen Entwicklungen im Fokus. Wichtig hierbei sind die Rückwirkungen auf die Stromversorgung und deren Stabilität. Ein netzdienlicher Betrieb und ein entsprechendes Lastmanagement sind durch die Speicherung von Wärme oder Kälte möglich. Ziel ist es, derartige Potenziale zu heben und neue Anbieter von Systemdienstleistungen für das Energiesystem zu gewinnen.

Die Wärmenetze sollen vermehrt erneuerbare Energiequellen sowie Abwärme nutzen – auch in Kombination mit Wärmepumpen. Die Netztemperaturen müssen sinken. Wärmeangebot und -bedarf sollten sowohl kurzfristig als auch saisonal aufeinander abgestimmt werden. Neue Methoden, wie künstliche Intelligenz, können die Netzplanung und die Netzregeltechnik unterstützen. Demonstrationsvorhaben und wissenschaftliches Monitoring unterstützen die Einführung neuer Konzepte.

3.1 Wärmenetze auf regenerative und nachhaltige Wärmequellen umstellen

Ergänzend zu erneuerbaren Wärmequellen und Abwärme, können biogene und synthetische Energieträger in einem defossilisierten Wärmenetz als Reserve dienen und Spitzenlasten abdecken. Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit sollen berücksichtigt werden, wenn erneuerbare Wärmequellen erschlossen werden. Anlagenkomponenten müssen auf die neuen Anforderungen angepasst werden.

3.2 Wärmenetztechnik und -regelung weiterentwickeln

Der Aufbau von Niedertemperaturnetzen und kalte Nahwärmenetzen sowie die Integration kurzfristiger und saisonaler Wärmespeicher in das System sind wichtige Aufgaben. Dazu sind neue Rohrsysteme erforderlich und eine moderne, wartungsarme und langlebige Netz-, Mess- und Regelungstechnik. Neue Methoden zur Regelung komplexer und dynamischer Wärme- und Kältenetze sind ebenfalls notwendig.

3.3 Mit innovativen Methoden die Wärme- und Kälteversorgung planen

Fachleute sollen praktisch handhabbare und breit anwendbare Planungstools und Auslegungsmethoden entwickeln. Dabei müssen sie individuelle Anforderungen und Voraussetzungen vor Ort mit einbeziehen und können darauf aufbauend allgemeine Konzepte ableiten. Die Verfahren der kommunalen Wärmeplanung müssen berücksichtigt und wissenschaftlich begleitet werden.

3.4 Effiziente großskalige Wärmespeicher entwickeln und optimieren

Geeignete Wärmespeicher und entsprechende Technologien sollen systemisch integriert, weiterentwickelt und erprobt werden. Dies schließt die Optimierung und Hochskalierung innovativer Speicherkonzepte und -materialien mit ein. Darüber hinaus sind passende Betreibermodelle für großskalige Wärme- und Kältespeicher mitzudenken.

3.5 Blaupausen für regionale Wärmeinfrastrukturen bereitstellen

Weiterer Forschungsbedarf ergibt sich aus der Dezentralität und Diversität regionaler Gegebenheiten. Ländliche Räume sollen erschlossen und Lösungen für heterogene, teils kleinteilige und gewachsene Versorgungsstrukturen und Gebäudebestände gefunden werden. Hier gilt es musterhafte, auf andere Regionen übertragbare Energiekonzepte zu entwickeln

Die kurz- und langfristige Energiespeicherung bietet großes Potenzial für einen systemdienlichen Beitrag innerhalb der gesamten Energieversorgung und bei der Sektorenkopplung. Beispiel sind Power-to-Heat-Systeme in Verbindung mit Wärmespeichern, der netzdienliche Betrieb von Wärme- und Kälteanlagen im Industrie- und Gebäudesektor sowie weitere Systemdienstleistungen zur Stabilisierung des Stromnetzes.

4.1 Wärmequellen diversifizieren

Für ein resilientes und sicheres Energiesystem ist ein möglichst breiter Technologiemix sinnvoll. Neben erneuerbar erzeugtem Strom fällt daher Solar- und Geothermie, Wasserstoff und nachhaltige Nutzung biogener Rest- und Abfallstoffe sowie Großspeichern bei der Wärmeversorgung künftig eine strategische Rolle zu. Es gilt, eine möglichst breite Palette an unterschiedlichen Energiequellen zu erschließen und entsprechend ihrer Charakteristiken zu verknüpfen.

4.2 Sektorkopplung verbessern

Wärme- und Kälteanlagen lassen sich netzdienlich betreiben und überschüssiger Strom in Form von Wärme oder Kälte kurzfristig oder saisonal speichern. Neben thermischer Speicherung stellen Lastverschiebung/Demand-Side-Management und Rückverstromung von Hochtemperaturwärme weitere Möglichkeiten dar. Lokale Handelsmechanismen und neue Geschäftsmodelle können diese unterstützen. Die Forschenden sollten hierbei auch die dezentralen Flexibilitätspotenziale von Gebäuden nutzen.

Sprinterziele

Sprinterziele sind kurz- und mittelfristige Ziele, die innerhalb einer Forschungsmission erreicht werden sollen, um das Erreichen eines klimaneutralen und sicheren Energiesystems bis 2045 durch Energieforschung zu unterstützen.

  • Sprinterziel 1
    Bis 2030 werden in Industrieprozessen Hochtemperatur-Wärmepumpen genutzt, die Prozesswärme über 300° Celsius bereitstellen.
  • Sprinterziel 2
    Das Ziel der Erdwärmekampagne des BMWK, in der mitteltiefen und tiefen Geothermie bis zum Jahr 2030 ein geothermisches Potenzial von 10 Terrawattstunden zu erschließen, wird von der Energieforschung durch die Weiterentwicklung insbesondere des Angebotes und der Bewertung von Untergrunddaten und der Entwicklung moderner Explorationstechnik aktiv unterstützt.
  • Sprinterziel 3
    Bis 2030 sind jeweils drei Speicherlösungen bzw. –systeme für den Industrie- und Quartiersbereich im Einsatz. Diese speichern Überschussenergie (aus Strom aus erneuerbaren Energien, Abwärme oder Solarthermie) so kosteneffizient, das die entladene Nutzwärme preislich konkurrenzfähig zur Wärmeerzeugung aus Strom oder synthetischen Brennstoffen ist.
  • Sprinterziel 4
    Bis 2030 werden neuartige Gebäude-Dämmstoffe eingesetzt, die über den gesamten Produktlebenszyklus nur noch die Hälfte des Primärenergieeinsatzes benötigen. Dabei erreichen sie dieselbe Dämmwirkung wie heutige konventionelle Dämmstoffe.