© SAILWINT GmbH
Windenergie
Segelndes Windturbinenschiff erfolgreich auf Ostsee getestet
Bei diesem Schiff dienen Windturbinen als Segel. Sie wandeln Windenergie in Strom um und nutzen die Schubkraft der Windturbinen dabei gleichzeitig als Vortrieb für das Schiff. Dass das funktioniert, haben Forschende jetzt im Projekt SAILWINT-PoC unter Beweis gestellt.
Der SAILWINT-PoC ist ein Trimaran von knapp fünfeinhalb Meter Länge. Ausgestattet mit zwei Windturbinen – die Rotordurchmesser jeweils 2,20 Meter – bringt das Schiff rund 300 Kilogramm auf die Waage. Ende November war es dann so weit: Das segelnde Windturbinenschiff hat seinen ersten maritimen Seegang erfolgreich gemeistert. Unterstützt wurde es dabei vom Forschungsschiff „Limanda“ der Universität Rostock.
© SAILWINT GmbH
„Wir konnten zeigen, wie der PoC auf Halbwindkurs, Raumwindkurs und Amwindkurs segelt und dabei gleichzeitig Energie und Vortrieb erzeugt“, sagt Dr.-Ing. Nils Barnickel, Gründer des Start-ups SAILWINT. „Die Auswertung der Messdaten zeigt, dass die Simulationsergebnisse, die wir zuvor zusammen mit der TU Berlin erhoben haben, und die empirischen Testergebnisse von der Seeerprobung auf der Ostsee sehr gut zusammenpassen.“ Das als internationales Patent angemeldete Konzept für die Konstruktion und Steuerung stammt von Barnickel, das Projekt setzt er zusammen mit seinem Team und mehreren Forschungspartnern um.
Hohe Energieausbeute auf dem offenen Meer
Der Ansatz für ein segelndes Windturbinenschiff liegt vor allem in den Energiekosten begründet. Wenn man Offshore-Windturbinen dort betreiben kann, wo der Wind am stärksten und am stetigsten weht, weit draußen auf dem offenen Meer, dann steigt die durchschnittliche Auslastung und damit die Energieausbeute pro Windturbine signifikant, berichtet Barnickel von seinen ersten Überlegungen und Analysen von vor rund 15 Jahren. Damals promovierte er gerade am Fraunhofer-Institut FOKUS. Durch die politischen Geschehnisse der vergangenen Jahre hat das Thema einer sicheren, autarken Energieversorgung in Europa an Relevanz gewonnen. Es war Zeit, die technische Machbarkeit und die ökonomischen Vorteile von SAILWINT konkret aufzuzeigen und das Konzept umzusetzen.
Dabei gehe die Windgeschwindigkeit kubisch, also hoch 3, in die Energiefunktion ein, erläutert Barnickel. Bereits 11 Meter pro Sekunde draußen auf dem offenen Meer statt 10 Meter pro Sekunde im Bereich der Offshore-Windparks ergeben somit eine um 33 Prozent höhere Energieausbeute. Dazu komme, dass Nachlaufeffekte sich gegenseitig verschattender Anlagen mit den mobilen Windturbinenschiffen vermieden werden können. In größeren Windparks seien darauf zurückzuführende Energieverluste im Bereich von 10 bis 30 Prozent. Insgesamt ergibt sich damit ein Ertragssteigerungspotenzial, das weit höher als die Kosten für den mobilen Betrieb und die temporäre Energiespeicherung an Bord liegt. „Die Energiekosten lassen sich um 30 bis 50 Prozent gegenüber herkömmlicher Offshore-Windenergie senken“, so Barnickel.
Simulation des Konzepts sagt hohe Seetauglichkeit voraus
Teil des aktuellen Projekts sind auch kombinierte aero- und hydrodynamische Simulationen der zu erwartenden Energieausbeute, der Schiffsgeschwindigkeit und des Verhaltens bei Seegang. Dafür setzen die Forschenden eine numerische Berechnungssoftware der TU Berlin ein. Anhand eines maßstabsgetreuen Modells des PoC konnte das Team zuvor berechnete analytische Ergebnisse validieren. Der PoC kann laut Simulation bei Seegangsstärke 5 mit einem dreifachen Sicherheitsfaktor betrieben werden. Das bedeutet: Das aufrichtende Moment der Trimarankonstruktion ist dreifach höher als das krängende Moment (bzw. die seitliche Neigung) durch die Windturbinenschubkraft und Rollbewegung bei Wellengang – dadurch droht keine Kentergefahr.
© SAILWINT GmbH
Hervorzuheben ist außerdem: Nach den Ergebnissen der Simulation konnte das Windturbinenschiff auf halbwindnahen Segelkursen volle Nennleistung erzeugen, ohne Verluste, da auch der Fahrtwind und hydrodynamische Effekte der Rumpfkonstruktion genutzt werden. Dafür wird eine geringe sogenannte Gierwinkelabweichung im einstelligen Bereich vorausgesetzt. Die Windturbinen waren dabei leicht außerhalb der Windrichtung gestellt. Die aktuellen Ergebnisse nach der Fahrt auf der Ostsee bestätigen die Berechnungen. Die nächste Seeerprobung ist bereits im Januar auf der Nordsee mit dem Fraunhofer Institut IFAM geplant und soll weitere Erkenntnisse liefern.
Neues Förderformat von Vorteil für schnelle Umsetzung
Das Förderformat der Mikroprojekte mit beschleunigter Beantragung war auf die Bedarfe des Teams von SAILWINT genau zugeschnitten. „Die Innovation, die wir entwickeln, ist disruptiv“, erklärt Barnickel, „komplett neu und mit entsprechend hohen Risiken verbunden. Öffentliche Förderung gerade in diesem frühphasigen Bereich, ist deshalb ein entscheidender Erfolgsfaktor“. Mit den Entwicklungsarbeiten konnten sie dadurch direkt beginnen. Ein Konsortium für ein Folgeprojekt ist bereits aufgestellt. Hier soll das Konzept in die nächste Stufe eintreten, mit einer Verdopplung der Schiffslänge, die jeweils eine Vervierfachung der Energieproduktion ermöglicht und damit die schnelle Skalierbarkeit des Ansatzes aufzeigen soll. (mb)