
Projekt ModEst
Erstellung systemanalytischer Modelle einfacher machen
Die beste Energie ist die, die man nicht nutzen muss. Daher ist das regelmäßige Optimieren des Betriebs von Energieversorgungssystemen für die Effizienz und das Einsparen von Emissionen für die Energiewende besonders relevant. Die Basis dafür legen mathematische Modelle aus der Systemanalyse. Die Herausforderung dabei: die Modellierung ist arbeits- und zeitaufwändig in der Erstellung. Ein neues Verfahren hilft dabei diesen Prozess künftig einfacher zu gestalten.
Mathematische Modelle des Energiesystems bilden die verschiedenen eingebundenen Anlagen und Technologien sowie deren Interaktionen und Wechselwirkungen ab. Auf dieser Grundlage können Entscheidungsträger Optimierungsbedarf identifizieren und Anpassungen vornehmen, um das System effizienter zu machen. Dieser Prozess ist durch die konstant steigende Komplexität des Energiesystems jedoch mit großem Aufwand verbunden, denn für jedes System muss ein neues Modell aufgebaut und parametriert werden.
Leichte Bedienbarkeit für Anwender
Ziel des Forschungsteams des Projekts ModEst war es daher Methoden zu entwickeln, die die Modellierung von Energiesystemen automatisieren. Die Projektpartner haben hierfür in den vergangenen drei Jahren einen Softwaredemonstrator erarbeitet, mit dessen Hilfe Anwender (zum Beispiel Planungsingenieur oder Energieberater) eine Modellidentifikation basierend auf Messdaten durchführen können. Das Besondere dabei ist, dass diese systemanalytischen Modelle auf realen Messdaten basieren und nicht aus der reinen Theorie heraus entstehen. Die Daten selbst stammen aus Energiemanagementsystemen. Die Ergebnisse sind durch diese Realitätsnähe sehr belastbar.
Das Software-Tool richtet sich an Nutzer aus Energietechnik, -wirtschaft und -consulting. Daher war ein wichtiger Aspekt, dass Anwender keine tiefen mathematischen Kenntnisse im Bereich der Modellidentifikation oder Fachwissen in Statistik benötigen, um die Lösung zu nutzen und valide Modelle daraus zu bilden. Möglich wird dies durch die Automatisierung.
„Die größte Herausforderung in dem Projekt lag in der Datenerfassung und -verarbeitung. Die Datenstruktur und -qualität unterscheidet sich je nach Anlage recht stark. Das erschwert eine allgemein anwendbare, automatisierte Vorverarbeitung“, erklärt Andreas Kämper vom Lehrstuhl für Technische Thermodynamik der RWTH Aachen. „Wir konnten jedoch Methoden entwickeln, die den gesamten Modellierungsprozess von unaufbereiteten Messdaten bis hin zur Betriebsoptimierung unterstützen. Das reduziert den Modellierungsaufwand deutlich und macht die mathematische Optimierung in der Praxis leichter anwendbar und effizienter“, so Kämper weiter.
Glatte Ergebnisse mit hohem Praxisbezug
Die entwickelten Modellidentifikationsmethoden haben die Forscherinnen und Forscher in einem Prototyp eines leicht zu bedienenden Software-Tools eingesetzt. Das Anwendungsspektrum reicht von der Bestimmung einzelner Modellparameter (zum Beispiel Wirkungsgrade) bis hin zur Abbildung des Systemverhaltens kompletter Energiewandlungsanlagen. Hierzu hat das Forschungsteam geeignete mathematische Methoden recherchiert, für Energiesysteme adaptiert, prototypisch implementiert, anhand industrieller Energiesysteme validiert und ihre Anwendbarkeit in der Praxis geprüft. Hierfür hat das Projektteam mit dem Unternehmen Currenta zusammengearbeitet. Generell sind die entwickelten Methoden auf industrielle Energiesysteme anwendbar.
Für die Vorverarbeitung der Messdaten hat das Forschungsteam ein neues Fehlstellenergänzungsverfahren entwickelt. Dieses basiert auf einer dreifach exponentiellen Glättung. Darunter versteht man eine Zeitreihenanalyse für kurzfristige Prognosen, für die Stichproben vorliegender periodischer Daten genutzt werden. Indem diese Daten exponentiell geglättet werden, beispielsweise durch das automatisierte Auffüllen von Lücken innerhalb der Zeitreihen, werden sie ausgeglichen und haben somit eine höhere Aussagekraft. Zudem haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch alternative Ansätze mit Hilfe neuronaler Netze untersucht.
Für die Strukturidentifikation hat das Projektteam ein neues Modellbildungsverfahren entwickelt. Dieses nutzt statistische Zusammenhänge in den Messdaten, um so ein geeignetes Modell zwischen einer Ausgabezeitreihe und mehreren Eingabezeitreihen zu bilden. Das Verfahren wurde anschließend in einen Softwaredemonstrator implementiert. In der Praxis können so die relevanten Einflussgrößen einer energietechnischen Anlage, zum Beispiel Wetterdaten, identifiziert werden.
Potenziale für die Sektorkopplung
Gekoppelte Energiesysteme stellen mehrere Energieformen bereit, sei es in der Strom-, Wärme- oder Kälteversorgung, und bestehen aus komplexen Anlagen (Blockheizkraftwerke, Absorptionskältemaschinen etc.). In diesen Systemen kommen verschiedene Energieträger zum Einsatz, wie Gas oder Strom und künftig auch Wasserstoff. Mit dem Fortschreiten der Energiewende wird der Strom im Energiesystem vornehmlich aus erneuerbaren Energietechnologien stammen und damit die ohnehin bereits inhärente Komplexität integrierter Energiesysteme erhöhen. Somit liegt großes Potenzial in der Anwendung mathematischer Optimierungsmethoden gerade im Bereich der Sektorkopplung, um diese effizienter zu machen. Die im Projekt ModEst entwickelten Methoden liefern hierzu einen wichtigen Beitrag. (ml)