Symbolbild Labor chemische Verfahrenstechnik © Eisenhans - stock.adobe.com
Die chemische Industrie ist besonders energieintensiv. Herausforderungen sind eine hohe Produktvariabilität und unterschiedlich große Chargen.
Übersicht

Energieeffizienz in der chemischen Industrie

Neue Produktionskonzepte sowie kontinuierliche und modulare Prozesse haben das Potenzial, die Energieeffizienz in der chemischen Industrie weiter zu verbessern. Sie gehört aktuell zu den energieintensivsten Wirtschaftszweigen.

So wie mittlerweile Autos, Kleidung oder auch unsere Ernährung individualisiert sind, erwarten auch die Kunden der chemischen Industrie zunehmend maßgeschneiderte Produkte. Die Branche stellt für viele Wirtschaftszweige Spezialchemikalien her, wandelt sie um oder verändert diese. Zu den Abnehmern gehören zum Beispiel die Kunststoff-, Lebensmittel-, Automobil-, Glas- und Baustoffindustrie wie auch der Maschinenbau.

Die hohe geforderte Produktvariabilität, gepaart mit einer bedarfsgerechten Bereitstellung der Spezialchemikalien, erfordert in der chemischen Industrie immer wieder neue Synthesetechnologien. Im Vergleich zu den Grundchemikalien sind die geforderten Tonnagen für Spezialchemikalien eher niedrig, dafür die Herstellungskosten extrem hoch.

Die technischen Herausforderungen und Qualitätsanforderungen sind dabei so hoch, dass Energiekosten eine untergeordnete Rolle spielen. Weitere Forschung eröffnet hier einen Weg, auch in diesem Marktsegment ressourcen- und energieeffizient zu produzieren.

Forschungsinitiative EnPro

Mit der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Forschungsinitiative EnPro wollen einige der größten Chemiekonzerne Deutschlands in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen und Universitäten neue Produkte schneller aus dem Labor auf den Markt bringen, energieeffizientere Herstellungsprozesse etablieren und Durchlaufzeiten verkürzen.

Kontinuierliche Prozesse: Batch to Conti

Chemikerinnen und Chemiker entwickeln Produkte und Verfahren zunächst im Labor mit kleinen Stoffmengen. Danach übertragen sie die einzelnen Syntheseschritte auf größere Chargen, sogenannte Batches. Erst dann ist der Herstellungsprozess reif für die großtechnische Produktion. Auf allen Entwicklungsstufen bleibt der Prozess meist diskontinuierlich. Solche Unterbrechungen im Prozess erschweren es, die Kinetik exakt zu regeln sowie die Energie zurückzugewinnen.

Anlagentechnik aus der chemischen Industrie © Fraunhofer IAP
Modulare Anlagentechnik für die Chemiefabrik der Zukunft: Neben verkürzten Produkteinführungszeiten kann so die Flexibilität der Prozessanlagen gesteigert werden.

Kontinuierliche Prozesse sind hingegen meist kompakter, kostengünstiger als Batch-Prozesse und ermöglichen eine energieeffizientere Betriebsweise. Bei kleinen Produktionsmengen ist diese letzte Entwicklungsstufe jedoch nicht immer wirtschaftlich.

Herausforderung für Forschung und Entwicklung ist, die gesamte Synthese in technologische Teilschritte zu zerlegen und für jeden Teilschritt ein kontinuierlich arbeitendes Modul zu entwickeln.

Für niedrige Produktionsmengen ist dieses Vorgehen dann effizient, wenn die verschiedenen Module für eine möglichst große Anzahl verschiedenster Synthesen genutzt werden können. Erst die Kombination aus Modularität und Flexibilität machen die verfahrenstechnischen Einzelapparate und damit die kontinuierliche Produktion sowohl wirtschaftlich als auch energie- und ressourceneffizient.

Forschende entwickeln neue Methoden, Anlagen- und Apparatekonzepte, sodass kontinuierliche Produktionsverfahren auch für kleine Produktmengen in der Spezialchemie eingesetzt werden und die chargenweise Herstellung ablösen. Die Vorteile von gleichbleibender Qualität bei gleichzeitig höherer Effizienz sind für viele Anwender in der Chemieindustrie attraktive Argumente, von Chargenprozessen auf eine kontinuierliche Produktion zu wechseln.

Intelligente Modularisierung – Anlagen aus dem Baukasten

Im globalen Wettbewerb sind modularisierte Anlagen für eine flexible, schnelle und effiziente chemische Prozessindustrie zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor geworden. Die EntwicklerInnen verpacken beispielsweise einzelne Prozesse in Module mit klaren Teilaufgaben wie zum Beispiel Destillieren, Kühlen oder Mischen. Aus diesen untereinander verschalteten Modulen setzt sich wiederum ein sogenannter Produktionscontainer zusammen.

Die Module leiten dabei nicht nur das Reaktionsgut durch, sondern sind auch über Energie- und Datenströme vernetzt. So wird eine energieeffiziente Reaktionsführung erreicht. Die Forschung arbeitet daran, Module zu standardisieren und auch eng verzahnte und komplexe Prozesse, wie etwa die Kristallisation oder Polymerisation, zu modularisieren. Dabei werden die Anlagensicherheit und Zertifizierbarkeit dieser neuen Prozesse von Anfang an in Forschung und Entwicklung mitberücksichtigt.

Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz und smarte Sensoren für die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine können die Industrie transformieren – und haben großes Potenzial, die Produktion energieeffizienter zu machen.

zum Thema

Damit diese digitalisierten modularen Anlagen wirtschaftlich erfolgreich werden, ist schon in der Planungsphase eine einheitliche Datenstruktur unerlässlich. Sie ermöglicht in der Betriebsphase die Kommunikation zwischen den Modulen und unterstützt die Dokumentation über den gesamten Lebenszyklus.

Mithilfe künstlicher Intelligenz können Daten zu Informationen aufbereitet werden, anhand derer die Prozessführung verbessert wird. Basis hierfür sind innovative Messtechniken, neuartige Sensoren sowie datengetriebene Modelle zur Prozesssimulation und -kontrolle.