Rückkühlwerke, wie der hier abgebildete Freikühler, werden laut Universität Kassel in den nächsten Jahren wahrscheinlich die häufigste Abwärmequelle für Wärmepumpen in der Industrie sein. © SLP Architektur AG – stock.adobe.com
Rückkühlwerke, wie der hier abgebildete Freikühler, werden laut Universität Kassel in den nächsten Jahren wahrscheinlich die häufigste Abwärmequelle für Wärmepumpen in der Industrie sein.

Industrie und Dienstleistungen
Anlagen passgenau für erneuerbare Wärmeversorgung auslegen

21.02.2024 | Aktualisiert am: 23.02.2024

Forschende haben den Wärmeverbrauch von 797 Unternehmen in Deutschland untersucht. Mit den Erkenntnissen wird es für Firmen in Zukunft leichter, die Wärmeversorgung mit fluktuierenden Erzeugern wie Solarthermie sowie Wärmepumpen zu planen.

Den Schwerpunkt hat das Wissenschaftsteam auf Großverbraucher aus Industrie und Dienstleistung gesetzt. Dies sind Unternehmen, die mehr als 1,5 Gigawattstunden Gas pro Jahr einsetzen, um Produktionsprozesse und Heizungen mit Wärme zu versorgen. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 hat die Industrie in Deutschland laut Bundesnetzagentur 478.143 Gigawattstunden Gas verbraucht.

„Dabei konnten wir zeigen, dass die meisten Industrieunternehmen ein Wärmelastprofil haben, das eine deutliche Korrelation mit der Außentemperatur aufweist“, so Mateo Jesper, Mitarbeiter des an der Universität Kassel angesiedelten Projektes AnanaS, in dessen Rahmen die Studie durchgeführt wurde. Wie bei Wohngebäuden steigt also auch in den Unternehmen der Wärmebedarf, wenn draußen die Temperaturen sinken. Der Grund: Viele Großverbraucher, etwa aus der Automobilindustrie oder dem Maschinenbau, benötigen hauptsächlich Raumwärme und nur wenig Prozesswärme. Jesper: „Nur etwa ein Drittel der Industrieunternehmen hat einen von der Außentemperatur unabhängigen Wärmebedarf, der an Werktagen über das Jahr nahezu konstant ist.“

Der jetzt vorliegende Branchenüberblick der Lastprofile bietet Expertinnen und Experten einen hilfreichen Fundus. Denn aus dem Verlauf des Wärmebedarfs über das Jahr können sie ableiten, ob ein bestimmter regenerativer Wärmeerzeuger technisch und wirtschaftlich sinnvoll in einem Unternehmen eingesetzt werden kann. Neben den Gaslastprofilen von 797 Verbrauchern haben die Forschenden auch die Stromlastprofile von 82 weiteren Unternehmen in die Datenbank eingespeist, um den zeitlichen Zusammenhang von Strom- und Wärmebedarf zu untersuchen. Die meisten Profile gibt es aus der Metallwaren-, Maschinenbau- und Automobilindustrie sowie dem Bildungs- und Gesundheitswesen.

Solare Prozesswärmeanlage © Universität Kassel, Fachgebiet Solar- und Anlagentechnik
Solare Prozesswärmeanlage

Erkenntnisse ermöglichen präzisere Auslegung

Den Energiebedarf für Prozesse in Unternehmen mit erneuerbarer Energie oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zu decken, wird jetzt planbarer und dadurch effizienter. Denn die vorliegenden Lastprofile zeigen, wann im Jahresverlauf Spitzen oder auch Senken beim Energieverbrauch zu erwarten sind. Entsprechend können Fachplaner oder Energiemanager ihre Anlagen passgenauer dimensionieren. Dies gilt etwa für thermische Speicher oder Spitzenlastkessel, die als Backup dienen, wenn der Wärmebedarf das Angebot der fluktuierenden Wärmequellen übersteigt. „Hier ist es wichtig, eine deutliche Überdimensionierung zu vermeiden. Denn dies führt zu unnötigen Kosten und verringert beispielsweise durch häufigeres Takten die Standfestigkeit der Anlage“, so Jesper.

Wie Unternehmen eigene Lastprofile erstellen können

Die Ergebnisse aus dem Vorhaben AnanaS haben die Projektpartner im Rahmen der IEA SHC Task 64  in einen Leitfaden und ein Tool überführt. Akteure aus der Praxis können damit branchentypische Wärmelastprofile für einen speziellen Standort erstellen, wenn sie unter anderem ein Profil der Außentemperatur eingeben. Das Tool richtet sich etwa an Fachplaner oder Energiemanager und unterstützt diese bei der Durchführung von Machbarkeitsabschätzungen und Vorplanungen von Wärmeversorgungsystemen. Zusätzlich fließen die Ergebnisse aus AnanaS derzeit in die VDI-Norm 4190 ein.