In der Aluminimhütte der TRIMET in Hamburg sollen zukünftig Hochtemperatursupraleiter eingesetzt werden, um die Öfen energieeffizient mit elektrischer Energie zu versorgen. © TRIMET
In der Aluminimhütte der TRIMET in Hamburg sollen zukünftig Hochtemperatursupraleiter eingesetzt werden, um die Öfen energieeffizient mit elektrischer Energie zu versorgen.

Reallabor der Energiewende SuprAL
Mithilfe supraleitender Stromschiene Aluminium klimafreundlicher herstellen

01.02.2024 | Aktualisiert am: 09.02.2024

Im Reallabor der Energiewende SuprAL wollen Forschende die konventionellen Stromschienen einer Aluminiumproduktion mit Hochtemperatursupraleitern ersetzen. Die 600 Meter lange Stromschiene soll Gleichstrom mit 200.000 Ampere nahezu verlustfrei übertragen – und dadurch so viel elektrische Energie einsparen, wie rund 10.000 Haushalte im Jahr verbrauchen.

Im Alltag sind Produkte aus Aluminium allgegenwärtig, etwa als Alu-Haushaltsfolie, Getränkedosen oder in Form von Fahrradrahmen. Aber auch aus vielen anderen Bereichen ist das Leichtmetall kaum mehr wegzudenken. So wird es unter anderem in der Baubranche, im Automobilbereich und Transportwesen, in der Energietechnik und im Maschinenbau sowie im Sport- und Freizeitbereich eingesetzt. Die Produktion von Reinaluminium aus Aluminiumoxid (Primäraluminium) im sogenannten Schmelzflusselektrolyse-Verfahren ist energieintensiv.

Aluminium-Herstellung benötigt Strom als Rohstoff

Zur Herstellung von einer Tonne Primäraluminium werden rund 14.500 Kilowattstunden Energie benötigt. Die Energie ist notwendig, um in dem elektrochemischen Verfahren das Aluminiumoxid in Aluminium und Sauerstoff aufzuspalten. Aber: Die Stromschienen, die die Elektrolyseöfen mit Energie versorgen, weisen aufgrund des elektrischen Widerstands Wärmeverluste auf. So beträgt der Spannungsabfall von zwei 600 Meter langen Stromschienen am Hamburger Standort des Aluminium-Herstellers TRIMET rund 12,5 Volt. Die Verlustleistung lässt sich hiermit auf rund 2.300 Kilowatt beziffern. Übertragen auf die Betriebsstunden der Produktion kommen jährlich etwa 20 Millionen Kilowattstunden Energieverluste zusammen. Basis dieser Rechnung ist der aktuell eingesetzte Gleichstrom mit 180.000 Ampere (verteilt auf die zwei Stromschienen mit je 90.000 Ampere). Bei einer von TRIMET angedachten Erhöhung der Stromstärke auf 200.000 Ampere würden die Verluste nochmals um mehr als 20 Prozent höher ausfallen. An dieser Stelle setzt das Reallabor der Energiewende SuprAL an. Dieses soll dabei helfen, den technisch bedingten, aber unproduktiven Energieverbrauch bei der Aluminiumerzeugung zu reduzieren und so die Klimaeffizienz zu verbessern.

Energieeffizienz der Aluminiumproduktion in Hamburg verbessern

Luftaufnahme von den Produktionshallen der TRIMET Aluminiumhütte in Hamburg © TRIMET
Die Produktionshallen der Aluminiumhütte von TRIMET in Hamburg erstrecken sich über eine sehr große Fläche und beheimaten 270 Öfen zur Aluminiumproduktion.

In SuprAL wollen die Projektpartner TRIMET und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie im Unterauftrag das Unternehmen Vision Electric Super Conductors (VESC) am Hamburger Standort eine Stromschiene mit Hochtemperatursupraleitern, kurz HTSL, installieren und in der Praxis erproben. Der Vorteil von HTSL: die Leiter können Strom nahezu verlustfrei transportieren und sind insbesondere für Anwendungen mit hohen Gleichströmen geeignet. Die Forschenden erwarten, dass sich so der Spannungsabfall auf unter 0,5 Volt und die elektrische Verlustleistung auf etwa 90 Kilowatt reduzieren lassen. Das würde eine Energieeinsparung von rund 90 Prozent bedeuten – im Vergleich ist das so viel Strom, wie rund 10.000 Zwei-Personen-Haushalte in einem Jahr verbrauchen. Somit könnte die Aluminiumproduktion ihre Energieeffizienz verbessern und jährlich etwa 8.000 Tonnen CO2 einsparen.

„SuprAL verspricht eine Pionierleistung in zweifacher Hinsicht: Erstmals wird Elektrizität mit einer Stromstärke von 200.000 Ampere mit einem Supraleiter verlustfrei übertragen. Und erstmals kommt ein Supraleiter bei der industriellen Herstellung von Aluminium zum Einsatz. Für TRIMET hat diese innovative Technik das Potenzial, die Aluminium-herstellung in Deutschland noch klimaschonender zu machen.“
Klaus Schweininger, TRIMET, Projektleiter von SuprAL

Langjährige Forschungsförderung im Bereich HTSL zahlt sich aus

Das Reallabor der Energiewende SuprAL baut damit auf mehrere Forschungsprojekte auf, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Forschungsfeld HTSL gefördert hat. So profitiert SuprAL etwa von den Erkenntnissen und Entwicklungen aus den Vorhaben 3S – SupraStromSchiene und DEMO200. Diese haben gezeigt, dass der Einsatz von HTSL in einer industriellen Anwendung grundsätzlich möglich ist. In DEMO200 hat ein Forschungsteam alle wichtigen Einzelkomponenten für die neue Stromschiene in Hamburg vorab erprobt. Von der Entwicklung über die Integration bis hin zur Anwendung haben die Projektpartner in den beiden Forschungsprojekten viele wichtige Erkenntnisse sammeln können, die nun in das Reallabor der Energiewende SuprAL einfließen werden.

DEMO200, 3S – SupraStromSchiene und AmpaCity

Mehrere Forschungsprojekte aus dem Forschungsfeld HTSL haben den Weg für das Reallabor der Energiewende SuprAL geebnet. Dazu zählen etwa DEMO200, 3S – SupraStromSchiene und AmpaCity.

In DEMO200 entwickelt ein Forschungsteam Komponenten für ein HTSL-Stromschienensystem, das Gleichstrom mit 200.000 Ampere verlustfrei überträgt. In einer Versuchsanlage bei TRIMET in Voerde testen sie die Entwicklung. Das Forschungsprojekt läuft noch bis Ende 2024. Beteiligt sind unter anderem VESC und das KIT.

In 3S – SupraStromSchiene haben Forschende eine rund 20 Meter lange HTSL-Hochstrom-Schiene entwickelt, die 20.000 Ampere Gleichstrom verlustfrei überträgt. Ihr Ziel war es, Leitungsverluste, Ressourcenverbrauch und Anforderungen an den Bauraum bei industriellen Hochstromschienensystemen deutlich zu reduzieren. Die Stromschiene wurde anschließend in einem industrieähnlichen Feldversuch in der Chlorelektrolyse bei BASF in Ludwigshafen getestet und hat die Industrietauglichkeit erreicht.

Im Forschungsprojekt AmpaCity hat ein Team gezeigt, dass ein 10-Kilovolt-Supraleiter-Kabel eine konventionelle 110-Kilovolt-Kabeltrasse ersetzen kann. Das ein Kilometer lange und im Durchmesser 15 Zentimeter dicke supraleitende Kabel wurde im Frühjahr 2014 im Essener Stromnetz integriert und versorgt im Durchschnitt rund 10.000 Haushalte. Als einer der Projektpartner konnte das KIT den ersten Langzeittest eines supraleitenden Mittelspannungskabels begleiten.

HTSL-Technologie soll energieintensive Aluminium-Stromschiene ablösen

In der Hamburger Aluminiumhütte sind 270 Elektrolyse-Öfen auf zwei Linien aufgeteilt, die sich über eine Länge von 600 Metern erstrecken. Der Strom wird hintereinander durch die Öfen geführt. Sobald der Elektrolyseprozess abgeschlossen ist, wird die elektrische Energie beidseitig neben den Öfen über eine Aluminium-Stromschiene zurück zum Gleichrichter geleitet. Diese soll auch weiterhin als Redundanz erhalten bleiben: Die neue HTSL-Schiene wird daneben errichtet und elektrisch parallelgeschaltet.

Vergleich 20.000 Ampere Hochtemperatursupraleiter und Aluminium-Stromschiene ©Vision Electric Super Conductors GmbH
Die aktuell genutzte Aluminium-Stromschiene benötigt viel Platz. Im Vergleich sind Hochtemperatursupraleiter deutlich platzsparender - dies zeigt das Bild mit 20.000 Ampere HTSL und Aluminium-Schiene. In SuprAL wird die neue HTSL-Stromschiene 200.000 Ampere Gleichstrom übertragen können.

Warum bleibt die Aluminiumschiene erhalten?

In SuprAL wird die neue HTSL-Stromschiene parallel zur bestehenden Aluminiumschiene installiert und betrieben. Dadurch ist eine sogenannte Redundanz vorhanden. In diesem Fall bedeutet das, es gibt ein zusätzliches Stromsystem, das funktional vergleichbar ist, aber bei einem störungsfreien Betrieb im Normalfall nicht benötigt wird.

Sollte ein Störungsfall eintreten, kann die Aluminium-Stromschiene wieder übernehmen und die Stromversorgung sicherstellen. Dies ist für die Aluminiumhütte sehr wichtig, denn: würde die Stromversorgung ausfallen, würden innerhalb kurzer Zeit die angeschlossenen Elektrolyseöfen unwiderruflich unbrauchbar werden. Bei mehreren hundert Öfen im Hamburger Werk von TRIMET wäre dies ein immenser Schaden.

Die Hochtemperatursupraleiter werden in einem doppelten Kryostaten untergebracht. Der innere Teil ist mit Heliumgas gefüllt und kühlt so auf eine Betriebstemperatur von unter 20 Kelvin, also etwa minus 250 Grad Celsius, herunter. Im äußeren Bereich sorgt flüssiger Stickstoff im Temperaturbereich von 80 Kelvin (minus 190 Grad Celsius) als Kälteschild. Die Projektpartner in SuprAL nutzen HTSL aus der ersten Generation. Auch wenn die Stromtragfähigkeit gegenüber der neuen, zweiten Generation geringer ist, sind hier die geringeren Kosten ein entscheidender Faktor. Im Reallabor der Energiewende wollen die Projektpartner die Hochtemperatursupraleitung für eine größere Anwendung in der Aluminiumindustrie erproben und so den weiteren Weg in die Praxis ebnen.

Produktionshalle der TRIMET Aluminiumhütte in Hamburg mit Elektrolyseöfen zur Aluminiumproduktion © TRIMET
In der Aluminiumhütte bei TRIMET in Hamburg sind die Elektrolyseöfen in zwei Linien aufgebaut. Eine 600 Meter lange Stromschiene versorgt die Öfen mit elektrischer Energie. Zukünftig sollen hier Hochtemperatursupraleiter die Wärmeverluste reduzieren, die bei der aktuell eingesetzten Aluminium-Stromschiene aufgrund von elektrischen Widerständen auftreten.
„SuprAL erweitert die Grenzen des bis heute Machbaren durch die weltweit erstmalig erreichte Stromstärke von 200.000 Ampere im Dauereinsatz. Dies betrifft nicht nur die Supraleiter, sondern auch die Betriebsmittel zur konventionellen Technik. Die Projektbegleitung durch das KIT stellt sicher, dass die Entwicklungsergebnisse der VESC auch für zukünftige Projekte in der weltweiten Aluminiumindustrie und für alle anderen Hochstromanwendungen zur Verfügung stehen.“
Wolfgang Reiser, VESC, Generalunternehmer bei SuprAL

Reallabor der Energiewende wird Vorreiter für größeren industriellen Einsatz von HTSL-Anwendungen

Die neue HTSL-Stromschiene im Reallabor der Energiewende SuprAL zeigt neue Chancen auf – sowohl für die HTS-Technologie als auch für die Aluminiumindustrie und weitere Branchen. Bei der Aluminiumproduktion machen die Stromkosten mit rund 40 Prozent den größten Anteil der Gesamtkosten aus. Steigen die Strompreise weiter, wäre eine solche stromintensive Industrie in Deutschland und Europa nicht mehr wettbewerbsfähig möglich (zum Hintergrund: 1990 gab es noch 36 Aluminiumhütten in Europa. 2018 waren es nur noch 15). In der Industrie kann Hochtemperatursupraleitung daher zukünftig einen wichtigen Beitrag leisten: den Energieverbrauch senken, Voraussetzungen für die klimaneutrale Energiewende schaffen und einen entscheidenden Wettbewerbsvorsprung erschließen. So ist die Anwendung von HTS nicht nur in der Aluminiumindustrie, sondern auch in der chemischen Industrie, bei der Herstellung weiterer Nichteisenmetalle oder auch bei der Wasserstoffelektrolyse sowie in weiteren Branchen denkbar.

„Der erfolgreiche Betrieb bei TRIMET belegt die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Supraleiter-Technologie bei industriellen Anwendungen - auch außerhalb der Aluminiumerzeugung. Der Chemieindustrie, der Erzeugung von Nichteisenmetallen und anderen stromintensiven Prozessen und auch Energieversorgern eröffnet sich damit ein völlig neuer Weg, die Energieeffizienz deutlich zu verbessern.“
Klaus Schweininger, TRIMET, Projektleiter von SuprAL
„Neben der Aluminiumerzeugung sind insbesondere Zink-, Kupfer-, Chlor- und, in zunehmendem Maß, Wasserstoffelektrolysen an kompakten, material- und energieeffizienten Stromschienensystemen interessiert. Für große Datacenter, auch für Verteil- und Übertragungsnetze eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Realisierung der Energiewende.“
Wolfgang Reiser, VESC, Generalunternehmer bei SuprAL

Wichtig dafür ist es, die Praxistauglichkeit der innovativen Technologie nachzuweisen. Dies wollen die Projektpartner mit SuprAL tun: Sie wollen demonstrieren, dass sich HTSL zuverlässig im dauerhaften Betrieb bei hohen Strömen einsetzen lassen, und so bisherige Grenzen der Supraleiteranwendungen signifikant erweitern. Die HTSL-Anwendung im Reallabor der Energiewende SuprAL ist weltweit einmalig.